Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

 

Die W. sind Sinti. Vater Hugo wird 1902 in Nastätten/Lahn geboren, die Mutter Josefine, genannt Vina, 1909 in Meudt. Sie ziehen mit ihrem Wohnwagen durch die Lande. Ihre insgesamt neun Kinder kommen in der Zeit von 1923 bis 1940 an verschiedenen Orten zur Welt.

Ein gewisses Zentrum der Familie sind Hugos Vater Wilhelm und Hugos Bruder Willi. Sie haben eine feste Wohnung in Layenkaul bei Mengerschied im Kreis Simmern.

17. Oktober 1939 Der „Festsetzungserlass“ des Reichssicherheitshauptamtes (Berlin) bestimmt: "Die Zigeunerfrage wird binnen kurzem im gesamten Reichsgebiet geregelt… Alle „Zigeuner und Zigeunermischlinge (haben) bis auf weiteres ihren Wohnsitz oder jetzigen Aufenthaltsort nicht zu verlassen.” Bei Zuwiderhandlung droht Einweisung in ein KZ.

Entsprechend diesem Erlass wird die Familie W. von der Kriminalpolizeistelle Saarbrücken erfasst und in Lebach/Saar „festgesetzt“.

Hugo W. verlässt aber mit seiner Familie ohne polizeiliche Erlaubnis Lebach und zieht weiter umher. Bei einem Aufenthalt in Worms werden er und seine Frau Vina von der Kriminalpolizei festgenommen. Sie werden der Kriminalpolizeistelle Saarbrücken überstellt. Diese nimmt sie in polizeiliche Vorbeugungshaft.

21. Oktober 1942 Aus der Vorbeugungshaft werden Hugo W. ins Konzentrationslager Dachau und seine Frau Vina ins KZ Auschwitz verschleppt.

9. Dezember 1942 Vina W. kommt im KZ Auschwitz um, Todesursache ist angeblich eine doppelseitige Lungenentzündung.

Die Kinder bringt man vorläufig bei Angehörigen unter.

16. März 1943 Die 1940 geborene Tochter Erna wird „einer anderen Sippe zugeteilt“ und mit dieser von Worms aus in das KZ Auschwitz deportiert.

Sechs Kinder kommen in den Kreis Simmern: Hugo (*1927), Karoline (*1928), Appolonia (*1930), Anton (*1932), Maria/Marianne (*1934) und Anna/Anni (*1937).

15. Mai 1943 Ein Fernschreiben des Reichskriminalpolizeiamtes in Berlin regelt, dass Einweisungen in das Konzentrationslager Auschwitz bis auf weiteres zu unterbleiben (haben). Daraufhin unternimmt die Kriminalpolizeistelle Koblenz keine weiteren Anstrengungen, diese Kinder ebenfalls in das KZ Auschwitz-Birkenau zu verschleppen.

28. Januar 1944 Ein Erlass des Reichssicherheitshauptamtes verfügt, dass die „Lagersperre“ für das KZ Auschwitz-Birkenau aufgehoben ist.

19. Februar 1944 Die Kriminalpolizeileitstelle Köln fordert die Kriminalpolizeistelle Koblenz auf, Personen für eine neuerliche Deportation ins KZ Auschwitz-Birkenau zu melden.

23. Februar 1944 Die Kriminalpolizeistelle Koblenz meldet der Kriminalpolizeileitstelle Köln 13 Kinder und Jugendliche, darunter die sechs Kinder der Familie W., die als so genannte Zigeunermischlinge verschleppt werden sollen.

13. April 1944 Die Kriminalpolizeistelle Koblenz erteilt dem Landrat von Simmern Anweisungen, dass und wie die W.-Kinder nach Koblenz zu bringen sind.

15. April 1944 Das älteste der sechs Kinder, Hugo (*1927), ist Betriebsarbeiter beim Bahnbetriebswerk in Simmern. Um die Deportation ins KZ Auschwitz-Birkenau vorzubereiten, wird er auf der Arbeitsstelle festgenommen. Er kommt in „Schutzhaft“ und wird im Koblenzer Polizeigefängnis eingeliefert.

25. April 1944 Die sechs Kinder der Familie W. und sieben andere Kinder und Jugendliche werden im Polizeipräsidium in Koblenz „gesammelt“ und am selben Tag - als 2. Deportation der Sinti aus Koblenz - in das „Zigeunerlager“ des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau verschleppt.

Wenige Tage später treffen die Kinder und Jugendlichen im KZ Auschwitz-Birkenau ein. Dann verliert sich ihre Spur.