Gerhard (Gerd) W. wird am 31. März 1908 als Sohn des Kaufmanns Ferdinand W. und seiner Frau Therese geboren. Nach dem Besuch der Volksschule und des Gymnasiums macht er mit einem guten Ergebnis sein Abitur. Eine Anstellung findet er nicht. Daraufhin ist er sehr niedergeschlagen und mutlos. Im Frühjahr 1930 tritt bei ihm offenbar wegen dieser beruflichen Probleme die geistige Krankheit Schizophrenie auf. Deshalb wird er in der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt in Bonn stationär untergebracht. Wieder zu Hause, kommt es zum zweiten Schub der Krankheit. Er wird in der Heil- und Pflegeanstalt Andernach untergebracht, verlässt diese aber entgegen dem Rat der Ärzte. Mitte Mai 1932 folgt der dritte Schub. Gerd kommt wieder nach Andernach. Er ist unruhig und verwirrt, weiß nicht, wo er sich befindet, und ist aggressiv. Im Oktober 1932 wird er als gebessert entlassen.
9. Oktober 1933 Gerd kommt wegen eines weiteren Krankheitsschubs erneut in die Anstalt Andernach.
31. März 1934 Der Anstaltsarzt stellt beim Erbgesundheitsgericht Koblenz den Antrag auf Unfruchtbarmachung. Für das Verfahren wird Gerds Vater als Pfleger bestellt. Dieser bestätigt das von den Ärzten beschriebene Krankheitsbild und den Verlauf, erklärt aber, dass weder in seiner Familie noch in der seiner Frau diese Krankheit aufgetreten sei; es sei also keine Erbkrankheit.
4. Juni 1934 Das Erbgesundheitsgericht Koblenz beschließt Gerds Sterilisation. Zur Begründung heißt es, nach der ärztlichen Wissenschaft handele es sich bei der Krankheit Schizophrenie um eine Erbkrankheit. Dafür sei unerheblich, dass ähnliche Fälle in der Familie nicht nachweisbar seien.
23. August 1934 Gerd wird zur Unfruchtbarmachung in das städtische Krankenhaus Kemperhof in Koblenz gebracht. Noch am selben Tag flieht er aus dem Krankenhaus.
September 1934 Er wird von der Polizei in Porz (heute: Köln-Porz) aufgegriffen und zum Amtsgericht Köln und von dort aus in das Gerichtsgefängnis Köln eingeliefert. Von Köln überführt man ihn wieder in die Heil- und Pflegeanstalt Andernach.
2. Oktober 1934 Von Andernach wird Gerd erneut in das Krankenhaus Kemperhof transportiert. Diesmal wird er sterilisiert. Die Operation verläuft „regelrecht“. Dann bringt man ihn zurück nach Andernach.
13. Juni 1935 Gerds Mutter holt ihn aus der Anstalt nach Hause zurück. Sein Zustand ist gebessert, die Entlassung geschieht aber gegen den ärztlichen Rat.
16. Dezember 1936 Gerd wird erneut stationär in der Anstalt Andernach aufgenommen.
15. Januar 1937 Sein Zustand hat sich gebessert. Auf Wunsch der Eltern wird er nach Hause beurlaubt. Die Anstalt empfiehlt eine fürsorgerische Betreuung, die Eltern sind damit einverstanden.
21. April 1938 Gerd wird wieder in die Anstalt Andernach aufgenommen.
9. August 1940 Die Anstalt füllt für Gerd den „Meldebogen“ aus. Mit ihm werden Menschen mit Behinderungen und Krankheiten erfasst. Er ist die Grundlage für Gerds weiteres Schicksal.
8. Mai 1941 Gerd wird von der Anstalt Andernach in die Tötungsanstalt Hadamar bei Limburg/Lahn transportiert und dort am selben Tag mit Giftgas ermordet.
20. Mai 1941 Seine Eltern erhalten von der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Sonnenstein bei Pirma in Sachsen die Nachricht, dass ihr Sohn Gerd dort unerwartet infolge akuter Hirnschwellung verstorben ist. Ab diesem „Trostbrief“, der den Mord in Hadamar mit Giftgas verschleiern soll, ist jede Angabe falsch.
Einige Tage später bringt die Post den Eltern eine Urne, die nicht Gerds Totenasche enthält.
Nach der Befreiung erfährt die Mutter von dem Strafverfahren gegen den damaligen Direktor und andere Ärzte der Heil- und Pflegeanstalt Andernach. Sie spricht gegenüber dem Landgericht Koblenz die Hoffnung aus, dass die Schuldigen der gerechten Strafe nicht entgehen. In diesem Verfahren werden die angeklagten Ärzte einige Zeit später freigesprochen.