Elisabeth M. kommt am 29. November 1913 in Mülheim (heute: Mülheim-Kärlich) zur Welt. Vor ihrer Geburt stirbt eine Schwester. Dies geht ihrer Mutter so nach, dass diese nervenkrank wird. Auch Elisabeth ist oft krank. Die Volksschule besucht sie acht Jahre lang, wird aber wegen Wiederholung einer Klasse nach dem 7. Schuljahr entlassen. Ihre Leistungen sind genügend. Sie ist zu Hause und hilft im Haushalt und in der elterlichen Landwirtschaft. 1929 wird sie wieder längere Zeit schwer krank, ihre Mutter bekommt daraufhin erneut ein Nervenleiden. Elisabeth ist zu Hause „unruhig“ und „schwierig“. Sie wird erwischt, als sie bei einem Juwelier einen Ring stehlen will. Bis Ende 1931 ist sie in einer privaten Anstalt in Waldbreitbach. Die Diagnose lautet: schizophrener Schub. Vier Monate später kommt sie in die Heil- und Pflegeanstalt Andernach und bleibt dort bis Ende des Jahres 1932.
14. Juli 1933 Als eines der ersten Gesetze erlassen die Nationalsozialisten das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Es erlaubt die Zwangssterilisation von Menschen mit bestimmten Krankheiten und Behinderungen. Hierüber entscheiden so genannte Erbgesundheitsgerichte.
1933/1934 Der Fürsorgearzt besucht Elisabeth zu Hause. Beim zweiten Besuch macht sie ihm einen „fernen, läppisch-albernen Eindruck“.
26. Juni 1934 Der Kreisarzt stellt den Antrag auf Unfruchtbarmachung, weil Elisabeth an Schizophrenie leide.
8. Juli 1934 Elisabeths Vater widerspricht als ihr gesetzlicher Vertreter dem Antrag mit der Begründung, sie sei nicht erbkrank, die Krankheit sei erst in ihrem 15.oder 16.Lebensjahr ausgebrochen. Dann erklärt er sich mit dem Eingriff doch einverstanden.
6. August 1934 Das Erbgesundheitsgericht Koblenz beschließt die Einholung eines Gutachtens.
19. November 1934 Nach einer stationären Aufnahme in die Anstalt Andernach kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass Elisabeth M. an einer in Schüben verlaufenden Schizophrenie leide. Die Krankheit sei jetzt verdeckt, weitere Schübe könnten folgen oder auch ausbleiben. Die Voraussetzung für eine Sterilisation sei gegeben.
21. Januar 1935 Das Erbgesundheitsgericht Koblenz beschließt Elisabeths Unfruchtbarmachung.
22. März 1935 Elisabeth legt gegen diesen Beschluss Beschwerde ein. Sie schreibt: Über dieses Schreiben konnte ich ja nur noch staunen…
6. April 1935 Sie wird im Elisabeth-Krankenhaus in Koblenz sterilisiert und als „geheilt“ entlassen.
22. Juni 1935 Elisabeths Beschwerde gegen den Beschluss wird vom Erbgesundheitsobergericht Köln wegen Versäumung der Beschwerdefrist verworfen. Auch heißt es, dass der Beschluss zutreffend sei.
1942 Elisabeths Bruder fällt als Soldat an der Ostfront. Als sie von seinem Tod erfährt, wird sie depressiv, unruhig und stark erregbar. Sie ist gewalttätig und vernachlässigt die Körperpflege.
25. Mai 1943 Der Hausarzt verfügt ihre Einweisung in die Anstalt Andernach.
27. Mai 1943 Nach der Aufnahme dort ist sie leer und steif, ein Kontakt mit ihr ist nicht möglich.
2. August 1943 Auf Anordnung des „Generalkommissars des Führers für das Sanitäts- und Gesundheitswesens“ wird Elisabeth in die Anstalt Landsberg/Warthe verlegt.
9. März 1944 Der Aufenthalt dort bringt keine Besserung. Sie wird „in eine andere Anstalt verlegt“.
15. März 1944 Kaum ist sie in der Anstalt Hadamar angekommen, wird dort ein „plötzlicher Verfall“ festgestellt sowie „heute Morgen Kollaps“.
16. März 1944 Der letzte Eintrag im Krankenblatt lautet: Erholte sich nicht mehr. Heute Exitus an Marasmus (Abbau aller Energiereserven und körperlichen Funktionen).
Foto mit fr. Genehmigung: Landeshauptarchiv Koblenz, Akten des Gesundheitsamtes Koblenz betr. Elisabeth M.