Josef G. wird am 16. März 1904 als jüngstes von drei Kindern eines Studienrates und dessen Ehefrau in Niederlahnstein geboren. Bei seinen Eltern und der ganzen Familie sind keine psychischen Krankheiten bekannt. Seine Verstandesbegabung ist offensichtlich gut; mühelos absolviert er die Volksschule und das Gymnasium und legt sein Abitur ab. Nach einer praktischen Tätigkeit bei einer Bank beginnt er 1924 ein von ihm unerwünschtes Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Bonn. Im Studium fasst er nicht Fuß, schließt sich einer studentischen Verbindung an und macht Schulden. Josef G. Aus einer Verbindung mit einer jungen Frau gehen 1927 und 1929 zwei Kinder hervor. Sein Vater verbietet ihm, die Kindsmutter zu heiraten. Sein Jurastudium bricht er ohne Abschluss ab. Seitdem trinkt er. Im Jahr 1932 darf er dann doch die Mutter seiner beiden Kinder heiraten. Aus dieser Ehe gehen keine Kinder mehr hervor. Seit 1932 steigert er seinen Alkoholkonsum. Er ist ein sporadischer stiller Weintrinker zuhause.
14. Juli 1933 Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchs wird erlassen. Es regelt die Unfruchtbarmachung wegen neun Krankheiten, u.a. wegen schwerem Alkoholismus.
1935 Josef G.s Alkoholprobleme werden größer. Er wird in einer Anstalt untergebracht.
Nachdem Josef G. mit finanzieller Unterstützung seines Vaters 22 Semester „studiert“ und nie einen ernstlichen Versuch unternommen hat, das Studium mit dem Staatsexamen oder mit der Promotion zu beenden, unterstützt ihn die Anstalt bei der Wiederaufnahme seines Studiums.
Aus der Anstalt entlassen, erlahmt sein Lerneifer. Er steigert seinen Alkoholkonsum. Fast täglich trinkt er wohl 5 – 6 Flaschen Wein und zuletzt bis zu einem Liter Weinbrand.
4. Oktober 1935 Ein Alkoholabusus führt zu einem Delirium und zur Einweisung in die Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Bonn.
22. Oktober 1935 Der Leiter der Anstalt zeigt dem Kreisarzt in Bonn an, dass Josef G. an schwerem Alkoholismus leidet.
Am selben Tag stellt der Kreisarzt beim Erbgesundheitsgericht Bonn den Antrag, Josef G. unfruchtbar zu machen.
16. Dezember 1935 Josef G. wird aus der Anstalt in Bonn entlassen.
1936 Das Erbgesundheitsgericht Bonn setzt das Verfahren aus, um festzustellen, ob G.s Energie stark genug ist, um ihn von weiterem Alkoholgenuss abzuhalten.
Mai 1936 Für die zur Begutachtung eingeschaltete Beratungsstelle für Seelen- und Nervenkranke beim Gesundheitsamt Koblenz ist bei Josef G. „charakterologisch nichts nachweisbar, was für den Trinker typisch ist.“ Die Diagnose lautet: „Keine Anhaltspunkte für psychiatrisch-neurologische Erkrankung oder chronischen Alkoholismus“.
Januar 1937 Josef G. gibt sein Jurastudium auf und trinkt wieder verstärkt.
1. April 1937 Die Anstalt Bonn erstattet aufgrund einer Nachuntersuchung ein Gutachten. Obwohl der Gutachter, wie er selbst feststellt, „eine nur ungenügende Sippenkenntnis“ hat und auch die „Befunde leider keine absolut zwingenden Beweise (…) erbracht (haben)“, bejaht er einen schweren angeborenen Alkoholismus als „sehr wahrscheinlich“.
3. Mai 1937 Das Erbgesundheitsgericht Koblenz beschließt auf der Grundlage des Gutachtens vom 1. April 1937 Josef G.s Unfruchtbarmachung.
Gegen diesen Beschluss erhebt er Beschwerde zum Erbgesundheitsobergericht in Köln.
August 1937 Seine Ehefrau und Schwiegermutter beklagen sich beim Gesundheitsamt Koblenz, dass er wieder trinke. Monatelang bleibe er abstinent, dann trinke er wieder. Die Phase dauere ca. 8 Tage, dazu trinke er nicht übermäßig viel, er vertrage aber auch offenbar keine großen Mengen. Seine Schwiegermutter meint, eine Änderung seines Verhaltens sei nötig und möglich durch eine Entziehungskur und eine darauffolgende Arbeitsbeschaffung.
8. Februar 1938 Das Erbgesundheitsobergericht Köln folgt dem Erbgesundheitsgericht Koblenz und dem Gutachten vom 1. April 1937 und weist die Beschwerde zurück.
Ende März 1938 Als sich Josef G. nicht freiwillig zur Operation einfindet, wird er von der Polizei zwangsweise dem Krankenhaus zugeführt.
1. April 1938 Josef G. wird im Evangelischen Stift St. Martin vom Chefarzt Dr. med. Dr. phil. h.c. Fritz Michel sterilisiert und dann eine Woche später als „geheilt entlassen“.