Katharina P. ist die Ehefrau des Kaufmanns Heinrich P. Geboren wurde sie am 8. oder 12. Oktober 1894 in Koblenz-Horchheim. Seit 1914 sind die Eheleute verheiratet, sie leben in der Stadt Koblenz und haben drei Töchter. Die beiden älteren Töchter besuchen die Ursulinenschule in Koblenz (heute: ……….) mit gutem Erfolg. Die Ehe ist glücklich, die Töchter sind gesund, in Katharinas Familie sind keine Erbkrankheiten bekannt. Katharina P. hat seit Jahren seelische Probleme, die sich 1930 verschlimmern. Sie ist in sehr gehobener Stimmung, redet ununterbrochen, hat hochfliegende Pläne und ist auffallend unternehmungslustig. Deswegen bringt sie ihr Ehemann 1931 in eine Kuranstalt. Einen Monat später kehrt sie gebessert nach Hause zurück. Nach einem weiteren Krankheitsschub ist sie 1932 wieder einen Monat in einer Kuranstalt.
14. Juli 1933 Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wird erlassen. Es regelt die Unfruchtbarmachung wegen neun Krankheiten, u.a. wegen zirkulärem (manisch-depressivem) Irreseins (krankhafte Stimmungsschwankung, mal sehr schwungvoll und dann wieder depressiv)
26. Dezember 1933 Katharina P. erleidet einen erneuten Schub ihrer Krankheit. Sie ist hochgradig erregt, redet unaufhörlich und widerspricht viel; auch kauft sie unmäßig ein und glaubt, eine politische Mission zu haben. Daraufhin bringt sie ihr Ehemann in die Anstalt des Marienhauses in Waldbreitbach.
6. Februar 1934 Der leitende Arzt der Anstalt meldet beim Kreisarzt in Neuwied Katharina P. zur Unfruchtbarmachung an.
2. März 1934 Der Kreisarzt stellt beim Erbgesundheitsgericht Koblenz den Antrag auf ihre Sterilisation.
9. März 1934 Derselbe Anstaltsarzt erstattet ein fachärztliches Gutachten, wonach Katharina P. an einer Seelenstörung im Sinne eines manisch-depressiven Irreseins leidet. Diese habe sich aber wesentlich gebessert, so dass eine Anstaltsunterbringung nicht notwendig sei.
Mitte März 1934 Der Ehemann nimmt Katharina P. mit nach Hause.
17. März 1934 In dem inzwischen anhängigen Verfahren vor dem Erbgesundheitsgericht Koblenz erklärt Herr P.: „Ich bin nicht der Ansicht, dass meine Frau erbkrank im Sinne des Gesetzes ist. Sie ist jetzt 39 Jahre alt und hat drei gesunde Kinder zur Welt gebracht. (…) Meine Frau hat sich in den letzten drei Jahren freiwillig für einige Wochen in Kuranstalten begeben, aus denen sie gestärkt und gesund in ihren Haushalt zurückkehrte.“ Sowie: „Auch vom religiösen Standpunkt bringen Sie meine Frau und mich in die größten Gewissenskonflikte. Was Gott gegeben, soll der Mensch nicht zerstören. Mein Glaube verbietet meiner Frau und mir, dem von Ihnen beabsichtigten chirurgischen Eingriff zuzustimmen.“
23. April 1934 Das Erbgesundheitsgericht Koblenz beschließt, Katharina P. wegen manisch-depressivem Irresein unfruchtbar zu machen.
20. Juni 1934 Katharina P. wird aufgrund des Beschlusses des Erbgesundheitsgerichts Koblenz sterilisiert.
In den Folgejahren bringen Angehörigen von Katharina P. sie wegen akuter Erregungszustände wiederholt in private Kuranstalten. Immer wieder wird sie nach einiger Zeit als gebessert entlassen.
August 1942 Ein Jahr nach Beendigung der 1. Phase der NS-„Euthanasie“ („T4-Aktion“) am 24. August 1941 beginnt in der Tötungsanstalt Hadamar die 2. Phase der NS-„Euthanasie“, die sog. dezentrale Phase (auch „wilde Euthanasie“ genannt). Hierbei werden die Patienten mit der Medikamentengabe in Überdosen, mit Hungerkost und vorenthaltener medizinischer Hilfe ermordet.
9. Oktober 1943 Wegen des akuten Zustandes weist sie ihr Hausarzt erstmalig in die geschlossene Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Andernach ein.
5. Januar 1944 Ihr Zustand hat sich gebessert, sie ist ausgeglichener. Ihr Ehemann holt sie nach Hause ab.
3. Juni 1944 Der Hausarzt weist Katharina P. einem Meldebogen für die NS-Euthanasie. Die Diagnose lautet auf „Manie bei manisch-depressivem Irresein, meist in heftiger Erregung“.
2. August 1944 Katharina P. wird als gebessert aus der Anstalt Andernach entlassen.
22. August 1944 Der Meldebogen erfährt noch eine Ergänzung. Wohl weil sie inzwischen als gebessert entlassen worden ist, unterbleibt eine Ermordung von Katharina P. im Rahmen der sog. zweiten, dezentralen Phase der NS-Euthanasie.
Katharina P. überlebt die NS-Zeit. Danach ist sie noch wiederholt nach Krankheitsschüben vorübergehend in Anstalten.