Josef P. ist das am 2. Juni 1912 geborene, jüngste eines Landwirts in Koblenz-Horchheim geboren. Nach Angaben der Mutter verliefen seine Geburt und Kindheit normal, er hat im Rahmen des Üblichen laufen und sprechen gelernt. Schon damals bestand eine Mittelohrentzündung. In der Schulzeit hatte Josef große Schwierigkeiten, während seine fünf älteren Geschwister die Volksschule in Koblenz-Horchheim unauffällig durchliefen und abschlossen. Nach dem damals üblichen achtjährigen Schulbesuch verließ er 1926 die Schule ohne Abschluss. Das Entlassungszeugnis enthält für kein einziges Fach eine Note, stattdessen die Bemerkung: „Der Schüler leistete wegen sehr schlechter Begabung fast nichts“, sowie: „kann etwas lesen“ und: „rechnet bis 100 ganz leichte Aufgaben“. Nach der Schule hilft Josef seinem Vater in dessen Landwirtschaft, nach dessen Angaben auch selbständig.
14. Juli 1933 Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wird erlassen. Es regelt die Unfruchtbarmachung wegen neun Krankheiten, u.a. wegen angeborenen Schwachsinns.
Februar 1934 Die chronische Mittelohreiterung führt bei Josef P. plötzlich zu einer akuten Verschlimmerung mit Hirnkomplikationen (Krämpfen, Lähmungserscheinungen, Benommenheit usw.). Er wird sofort mit einer Radikalaufmeißelung des Ohres operiert. Seitdem habe sich der Zustand seines Sohnes – so der Vater – gebessert.
Sommer 1937 Josef P. wird im Rahmen der allgemeinen Wehrpflicht gemustert. Bei der ärztlichen Untersuchung wird „angeborener Schwachsinn“ diagnostiziert.
Daraufhin meldet das Wehrbezirkskommando Josef beim Amtsarzt des Gesundheitsamtes Koblenz.
September 1937 Die vom Amtsarzt eingeschaltete Beratungsstelle für Seelen- und Nervenkranke stellt ebenfalls die Diagnose angeborener Schwachsinn und meldet ihn als erbkrank.
Josef P. hat einen standardisierten Intelligenzprüfbogen auszufüllen, dessen Fragen er zum großen Teil gar nicht oder falsch beantwortet.
10. Mai 1938 Der Amtsarzt des Gesundheitsamtes Koblenz stellt beim Erbgesundheitsgericht Koblenz den Antrag auf Unfruchtbarmachung
4. Oktober 1940 Das Erbgesundheitsgericht Koblenz beschließt seine Unfruchtbarmachung. Zur Begründung wird auf die schlechten schulischen Leistungen sowie auf die Ausfälle bei der Intelligenzprüfung verwiesen. Außerdem wird die „Sippenbelastung“ herangezogen. Eine inzwischen verstorbene Schwester habe an Epilepsie gelitten eine Cousine leide ebenfalls an angeborenem Schwachsinn.
Der Vater von Josef P. legt gegen den Beschluss des Erbgesundheitsgericht Beschwerde zum Erbgesundheitsobergericht in Köln ein. Zur Begründung gibt er an, dass das Ohrleiden seit frühester Kindheit für die schlechten schulischen Leistungen seines Sohnes ursächlich seien und er sich im Übrigen im Leben bewährt habe, er arbeite im elterlichen Betrieb selbständig.
24. März 1941 In der Verhandlung vor dem Erbgesundheitsobergericht macht Josef P. auf die Richter einen „guten“ Eindruck. Ihrer Meinung nach sehe er nicht schwachsinnig aus, auch antwortet er auf Fragen des Gerichts überraschend gut.
Das Gericht beschließt daraufhin die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens.
31. Juli 1941 Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der Nachweis eines Schwachsinns erbracht und das Ohrleiden dafür nicht ursächlich sei. Der Schwachsinn sei deshalb als erblich anzusehen.
27. Oktober 1941 Das Erbgesundheitsobergericht stellt in der erneuten Verhandlung fest, dass Josef P. sehr schlecht lesen kann. Es weist die Beschwerde des Vaters zurück. Dabei schließt es sich zur Begründung dem eingeholten Gutachten an und meint, dass auch die gewisse selbständige Arbeit im elterlichen Betrieb nichts an dem festgestellten Schwachsinn ändere.
2. Dezember 1941 Josef P. wird am 2. Dezember 1941 von dem Chefarzt des Krankenhauses Evangelischen Stift in Koblenz, Dr. med. Dr. phil. h. c. Fritz Michel sterilisiert. Die Operation verläuft – wie Dr. Michel angibt – regelrecht. Nach acht Tagen heilt die Wunde ohne Nebenwirkungen und Josef P. wird „als geheilt“ entlassen.