Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

 

Vater Fritz Berlin wird 1868 in Koblenz geboren. Seine Eltern Mendel und Johannette Berlin betreiben ein Weißwarengeschäft in der Löhrstraße. Er wird ebenfalls Kaufmann und arbeitet im Geschäft der Eltern. Im fortgeschrittenen Alter heiratet er seine 1896 in Meckenheim bei Bonn geborene Ehefrau Irma, geb. Berlin. Deren Vater ist dort Pferdehändler.

Die Eheleute Berlin haben zwei Kinder, die 1923 geborene Ingeborg und den 1928 geborenen Sohn Fritz. Während der französischen Besetzung der Rheinlande fungiert Vater Berlin vereidigter Dolmetscher. Danach ist er reisender Vertreter in Kurz- und Weißwaren.

 

1933 Nach der Machtübernahme der Nazis und dem „Judenboykott“ gehen die Geschäfte deutlich schlechter.

Vater Fritz besinnt sich auf seine Sprachkenntnisse und erteilt auswanderungswilligen Menschen, vor allem Juden, Unterricht in der Sprache des vorgesehenen Exillandes. Mutter Irma leitet den Kindergarten und die Ferienkolonie „Haus Bertha“ in Koblenz.

1938 Ingeborg sieht für sich keine Perspektive mehr in der Volksschule in Koblenz, bricht diese vorzeitig ab und nimmt eine „Lehrstelle“ im jüdischen Waisenhaus in Dinslaken an.

November 1938 Nach der Verwüstung des Waisenhauses in der Pogromnacht am 9./10. November organisiert ein belgisches Komitee in Zusammenarbeit mit dem belgischen Roten Kreuz einen Kindertransport nach Belgien. Ingeborg darf als „Lehrmädchen“ mitkommen und auch ihren Bruder Egon mitnehmen.

Sommer 1939 Die Eltern Fritz und Irma Berlin bereiten ihre Emigration nach England vor.

Herbst 1939 Als sich diese hinzieht und der Zweite Weltkrieg beginnt, verlassen sie Koblenz und gehen illegal über die „grüne Grenze“ nach Belgien. Die bei ihnen wohnende verwitwete Mutter von Irma, Hilde Berlin, können sie nicht bewegen, mit ihnen zu fliehen. Sie bleibt als einzige in Koblenz zurück.

10. Mai 1940 Hitler-Deutschland überfällt im „Westfeldzug“ auch Belgien und besetzt es.

Das Hilfskomitee, das zuvor die Kinder aus Deutschland nach Belgien gerettet hat, verschickt sie, und damit auch Egon und Ingeborg, weiter nach Südfrankreich.

Ihre Eltern bleiben in Belgien zurück. Sie versuchen noch, über die deutsche Vertretung in Brüssel Reisepässe für eine Weiterreise nach England zu erhalten. Wegen staatspolizeilicher Bedenken werden diese verweigert.

27. Juli 1942 Die in Koblenz zurückgebliebene 71-jährige Hilde Berlin wird mit der 4. Deportation von Koblenz aus in das "Altersghetto“/Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt.

November 1942 Nach dem Vormarsch der alliierten Truppen in Nordafrika besetzen die Deutschen auch das bisher „freie“ Südfrankreich, es entsteht die Südzone.

Winter 1942/43 Ingeborg und einige andere Jugendliche überqueren bei Eis und Schnee die Pyrenäen und gelangen nach Spanien. Sie will noch ihren in der Südzone zurückgebliebenen Bruder Egon nachholen. Das gelingt aber nicht.

7. September 1943 Deren Großmutter Hilde Berlin kommt im KZ Theresienstadt um.

Frühjahr 1944 Mit 16 Jahren schließt sich Egon einer französischen Widerstandsgruppe, dem „Maquis“, an. Schon bald fällt er in einem Gefecht gegen die deutschen Besatzer.

Ingeborg kann über Portugal in die USA auswandern und ihre in Belgien verbliebene Mutter (Vater Fritz ist nach der Befreiung in Brüssel eines natürlichen Todes gestorben) zu sich holen. Ingeborg Berlin heiratet in den USA den letzten Koblenzer Rabbiner Dr. Max Vogelstein.