Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de


Lesen Sie HIER die Karteikarte der Gestapo Koblenz von Friedrich Kreier

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des Fördervereins Mahnmal Koblenz

 

Lesen Sie folgende Dokumente:

Die Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 - die scheinlegale Grundlage für das Verbot der Ernsten Bibelforscher (heute: Zeugen Jehovas)

Die Durchführungsverordnung des Preußischen Innenministers vom 3. März 1933, mit der die wenige Tage zuvor erlassene Reichsbrandverordnung des Reichspräsidenten noch verschärft und erweitert wurde.

 

Verfügung des Preußischen Ministers des Innern vom 24. Juni 1933, mit der die die Ernsten Bibelforscher (heute: Zeugen Jehovas) verboten wurden:

Aufgrund des § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGB1. S. 83) in Verbindung mit § 14 PVG (Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz) wird die Internationale Bibelforscher-Vereinigung einschließlich ihrer sämtlichen Organisationen (Wachtturm-, Bibel- und Traktatgesellschaft Lünen-Magdeburg der Neuapostolischen Sekte) im Gebiet des Freistaates Preußen aufgelöst und verboten. Das Vermögen wird beschlagnahmt und eingezogen. Zuwiderhandlungen gegen die Anordnung werden auf Grund des § 4 der Verordnung vom 28. Februar 1933 bestraft.


Gründe:

Die Internationale Bibelforscher-Vereinigung und die ihr angeschlossenen Nebenorganisationen betreiben in Wort und Schrift unter dem Deckmantel angeblich wissenschaftlicher Bibelforschung eine unverkennbare Hetze gegen die staatlichen und kirchlichen Einrichtungen. Indem sie beide als Organe des Satans bezeichnen, untergraben sie die Grundpfeiler völkischen Gemeinschaftslebens. In ihren zahlreichen Schriften (...) verhöhnen sie die Einrichtungen von Staat und Kirche in bewusster, böswilliger Verdrehung biblischer Bilder. Ihre Kampfmethoden sind durch die fanatische Beeinflussung ihrer Anhänger gekennzeichnet, durch nicht unerhebliche Geldmittel gewinnen sie an Stoßkraft bei ihrer kulturbolschewistischen Zersetzungsarbeit. Ihre Einflussnahme auf breite Volksschichten beruht zum Teil auf eigenartigen Zeremonien, die eine Fanatisierung der Anhänger und damit eine unmittelbare Störung des seelischen Gleichgewichts der betroffenen Volkskreise erzeugen. Da hiernach die Tendenz der genannten Vereinigung in besonders sinnfälligem Gegensatz zum heutigen Staat und seiner kulturellen und sittlichen Struktur stehen, sehen die ,,Internationalen Bibelforscher" naturgemäß ihren Kampfzielen entsprechend den aus der nationalen Erhebung hervorgegangenen christlich-nationalen
Staat als einen besonders markanten Gegner an, dem gegenüber sie die Methoden ihres Kampfes radikal verstärkt haben. Dies beweisen die verschiedenen gehässigen Angriffe von führenden Funktionären, die in Wort und Schrift gegen den Nationalsozialismus und seine maßgeblichen Vertreter in jüngster Zeit vorgetragen worden sind. (Vgl. Bericht des Polizeipräsidenten von Wuppertal vom 31. 5. 1933 - 1 Ad. 1 60001). Damit ist zugleich der Einwand des rein religiösen weltanschaulichen Kampfes widerlegt. Die Gefährlichkeit der Umtriebe der genannten Vereinigungen für den heutigen Staat wird dadurch noch gesteigert, dass in neuester Zeit in auffallend zunehmendem Maße Anhänger ehemaliger kommunistischer und marxistischer Parteien und Organisationen in ihren reichen in der Hoffnung Aufnahme gefunden haben, in diesen angeblich rein religiösen Vereinigungen einen sicheren Unterschlupf zu finden, der ihnen den getarnten Kampf gegen das heutige Regierungssystem ermöglicht. Die Bibelforscher-Vereinigung und die ihr nahe stehenden Gesellschaften leisten mithin auch auf rein politischem Gebiet dem Kommunismus Vorschub und stehen im Begriff, sich zu einer Auffang-Organisation für die verschiedensten staatsfeindlichen Elemente zu entwickeln. Eine organisatorische und zielbewusste kommunistische Betätigung wird aus den Reihen der kommunistischen Anhänger der Bewegung getätigt. Zur Abwehr kommunistischer Umtriebe und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist daher ihre Auflösung zum Schutz von Volk und Staat geboten.


Geheimerlass des Geheimen Staatspolizeiamtes (Gestapa) vom 22. April 1937 ( II B 2/326/37/S):

Sämtliche Anhänger der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung (IBV), die nach Beendigung der Strafhaft aus dem Gefängnis entlassen werden, sind unverzüglich in Schutzhaft zu nehmen; ihre Überführung in ein Konzentrationslager ist unter Darlegung des Sachverhalts zu beantragen.

 
Geheimerlass des Geheimen Staatspolizeiamtes (Gestapa) vom 5. August 1937:

1. Wenn ein Bibelforscher in einem Strafverfahren freigesprochen oder die erkannte Freiheitsstrafe durch die Untersuchungshaft für verbüßt erklärt wird, so hat eine aufgrund meines Runderlasses vom 22. April 1937 - II B 2/326/37 S - etwa erforderliche Inschutzhaftnahme im Gerichtssaal selbst zunächst zu unterbleiben.

2. Wird von den Strafvollstreckungsbehörden über die bevorstehende Entlassung von Bibelforschern aus der Strafhaft Mitteilung gemacht, ist umgehend meine Entscheidung über Anordnung staatspolizeilicher Maßnahmen gem. meinem vorbezeichneten Runderlass vom 22. April 1937 einzuholen, damit die Überführung in ein Konzentrationslager unmittelbar im Anschluss an die Strafverbüßung erfolgen kann.

Solange die Überführung in ein Konzentrationslager nicht unmittelbar nach der Strafverbüßung erfolgen kann, sind die Bibelforscher in Polizeigefängnissen unterzubringen.
 
 
Friedel Kreier  Ein Diener Jehovas bis in den Tod ( von Joachim Hennig in: Rhein-Zeitung - Ausgabe Koblenz - vom 1. Dezember 2000)
 
Die Opfer der Nazis in Koblenz stammten nicht nur aus der Stadt selbst, sondern auch aus der näheren Umgebung. Einer von ihnen war der Zeuge Jehovas Friedel Kreier aus Neuwied. Nach der Aufführung des damals imposanten ”Photodramas der Schöpfung" schloss er sich der Glaubensgemeinschaft an, die früher "Ernste Bibelforscher" hieß. Als Milchhändler, der viel in den umliegenden Dörfern herumkam, erzählte er von dem Gesehenen und den Bibelforschern. Das war nicht leicht: Sie wurden wegen ihrer verbal scharfen Angriffe gegen Kirchen, Staat und auch Großkapital und wegen ihrer endzeitlichen Vorstellungen, die man als Aufruf zur Revolution missdeutete, polizeilich observiert. Man sah in ihnen - völlig zu Unrecht - "Wegbereiter des Bolschewismus". Kaum waren die Nazis an der Macht, wurde die Gemeinschaft verboten und jede Art der Werbung für sie unter Strafe gestellt. Eine neue Dimension erhielt die Verfolgung mit der Ernennung Himmlers zum Chef der deutschen Polizei und der Einrichtung eines "Sonderkommandos". Daraufhin gelang der Gestapo Koblenz der entscheidende Schlag gegen die Bibelforscher-Gemeinde Neuwied und gegen Kreier persönlich.
Am 31. August 1936 wurde er festgenommen, im Karmelitergefängnis in Koblenz in Untersuchungshaft gehalten und mit 20 anderen Bibelforschern angeklagt. Da es damals noch kein eigenes Sondergericht hier gab, saß das im Koblenzer Justizgebäude tagende Sondergericht Köln über sie zu Gericht. Es verurteilte 19 von ihnen zu Gefängnisstrafen allein deshalb, weil sie Bibelforscher waren, deren Schriften besaßen und sich als solche versammelt hatten. Kreiers Strafe lautete auf neun Monate Gefängnis. Nach Strafverbüßung kam er nicht frei, sondern auf Grund eines zwischenzeitlich ergangenen Gestapo-Erlasses unmittelbar in KZ-Haft. Schon dieser Erlass zeigt, mit welcher unerbittlichen Härte die vergleichsweise kleine und völlig unpolitische Glaubensgemeinschaft der Bibelforscher verfolgt wurde. Deutlich wird das auch am "lila Winkel", den sie im KZ tragen mussten. Damit wurden sie als einzige religiöse Gruppe mit einem eigenen Kennzeichen stigmatisiert. Kreier kam ins KZ Sachsenhausen und wurde dann zwischen den KZs Sachsenhausen, Dachau, Buchenwald und wiederum Dachau hin und her gestoßen. In einem dieser KZs erlitt er eine schwere Verletzung an der Hüfte, die zeitlebens blieb. Trotzdem hielt er an seinem Glauben fest und machte gar etwas ganz Ungewöhnliches: Obwohl die Nazis den Bibelforschern - wie keiner anderen Verfolgtengruppe - die Freiheit versprachen, wenn sie ihrem Glauben abschwörten, tat er das nicht, sondern ließ sich im Gegenteil - er war noch gar nicht offiziell getauft - im KZ in einer Regentonne als Bibelforscher taufen.
Nach der Befreiung fing Kreier wieder dort an, wo er zuvor hatte aufhören müssen. Er war Mitbegründer der Zeugen Jehovas in Neuwied, ihr Gruppen- und Versammlungsleiter und maßgeblich beim Aufbau der Versammlungen in Koblenz, Andernach und Bendorf beteiligt. Zeitzeugen berichten von seiner Glaubenstreue und seinem humorvollen Wesen, die auch der Naziterror nicht hat vernichten können. Als Zeuge Jehovas war Friedel Kreier bis zu seinem Tod im Jahre 1971 in Neuwied aktiv.