13. Themenbereich:
Kindertransport-Kinder aus Koblenz und Umgebung.
- 01. Rolf, Beate und Hans Bernd (Kinder des jüdischen HNO-Arztes Dr. Hugo Bernd und seiner Frau Senta aus Koblenz)
- 02. Helga Treidel / Helen Carey (Tochter der jüdischen Eheleute Dr. Isidor und Erna Treidel aus Koblenz)
- 03. Marianne Pincus, geb. Brasch (Tochter des jüdischen Juristen Ernst Brasch und seiner Frau Else aus Koblenz/Frankfurt)
- 04. Günter Stern / Joe Stirling (Sohn der jüdischen Eheleute Alfred und Ida Stern aus Nickenich/Koblenz )
- 05. Margot und Rudolf Kahn (Kinder der jüdischen Eheleute Wilhelm und Jenny Kahn aus Kottenheim/Koblenz)
- 06. Irene Futter, geb. Schönewald (Tochter der jüdischen Eheleute Hermann und Berta Schönewald aus Koblenz )
- 07. Hugo Salzmann junior (Sohn des kommunistischen Widerständlers Hugo Salzmann und seiner Frau Julianna aus Bad Kreuznach)
Zu diesem Ausstellungsteil hat Joachim Hennig folgende Ausführungen gemacht:
Eine besondere Gruppe in der Ausstellung bilden Biografien von Kindertransport-Kindern. Erstmalig gezeigt werden 7 Lebensbilder von Kindern und Jugendlichen, die vor den Nazis und ihrem Terror gerettet werden konnten. Es sind 6 jüdische Kinder und Jugendliche aus Koblenz, die mit dem Kindertransport in der 1. Jahreshälfte 1939 nach England auswandern konnten. Ein weiteres Kind – Hugo Salzmann jr. – wird ebenfalls porträtiert. Hugo Salzmann konnte aus Frankreich nach Österreich fliehen. Das ist ein ganz besonderes Schicksal. Ich kann hierauf nicht eingehen, empfehle diese Personentafel aber Ihrer Aufmerksamkeit.
Kurz eingehen möchte ich auf die Biografien der 6 Kindertransport-Kinder nach England. Sie sind im Rahmen der Aktion „Kindertransporte“ zu sehen, die vor 75 Jahren stattfand. Auslöser dieser groß angelegten Aktion war der Novemberpogrom („Reichspogromnacht“) vom 9./10. November 1938. Nach diesen antisemitischen Zerstörungen und Übergriffen konnte eine Gruppe von englischen Juden erreichen, dass die britische Regierung die Einreise von deutschen, österreichischen und tschechischen Kindern im Alter zwischen zwei und 17 Jahren erlaubte. In dieser einzigartigen Hilfsaktion, die von Anfang Dezember 1938 bis Ende August 1938 dauerte und durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ihr Ende fand, gelangten mehr als 10.000 Kinder und Jugendliche aus dem Deutschen Reich nach England. Die Kinder erhielten eine Nummer, durften nur ein Foto, eine Reichsmark und wenig Gepäck mitnehmen. An manchen Abreise-Bahnhöfen war es ihren Eltern verboten, sich von den Kindern am Bahnsteig zu verabschieden. Der Abschied fiel den allermeisten Kindern unendlich schwer – dabei ahnten die wenigsten von ihnen, dass sie ihre Eltern nie mehr wiedersehen würden. In England angekommen, erwartete die Kinder und Jugendlichen ein ungewisses und sehr unterschiedliches Schicksal. Manche von ihnen kamen zu Pflegeeltern, die sich vorher zur Aufnahme bereit erklärt hatten, andere wurden am Londoner Bahnhof - wie manche sagten – auf dem „Viehmarkt“ von den künftigen Pflegeltern bei der Ankunft ausgewählt, wieder andere wiederum kamen in Kinderheimen unter. Nicht wenige von ihnen wurden dann nach einiger Zeit in andere Hände weitergereicht. Die Schicksale – auch später in England – waren also sehr unterschiedlich. Die Gefühle der Kinder reichten dabei von Dankbarkeit bis zur Verbitterung. Bei wohl den meisten von ihnen tauchte das Phänomen Survivor Guilt auf – die „Schuld der Überlebenden“. Diese ist gerade bei Kindern und Jugendlichen häufig zu beobachten, wurden sie doch gerettet, weil ihre Eltern die Stärke aufbrachten, sie wegzuschicken; die wenigsten Eltern haben dann den Holocaust überlebt.
Auch Kinder und Jugendliche aus Koblenz und Umgebung konnten auf diese Weise dem Holocaust entfliehen. Nicht wenige haben ihr Leben in England und anderswo meistern können, wie die sechs Biografien der hier porträtierten Kinder und Jugendlichen zeigen. Es ist eine selektive Auswahl von ehemaligen Koblenzern, die auf „Heimatbesuch“ in ihre Geburtsstadt als Gäste für einige Tage zurückkehrten. Das sind sicherlich die glücklicheren Biografien, denn die gescheiterten Kinder und Jugendlichen werden kaum den Kontakt zur alten Heimat und ihren Menschen gesucht haben.
Deshalb freue ich mich ganz besonders, dass wir heute und hier einen Sohn eines solchen Kindertransport-Kindes bei uns haben. Es ist Herr Simon Burne, der extra für diese Ausstellung aus England nach Koblenz gekommen ist. Herr Burne ist der jüngere Sohn von Hans Bernd/Dr. John Burne und Enkel des Koblenzer HNO-Arztes Dr. Hugo Bernd und dessen Frau Senta. Sein Vater konnte im Mai 1939 vor den Nazis fliehen. Seine Großeltern blieben in Koblenz zurück, weil sie sich nicht vorstellen konnten, dass die Deutschen – wie es dann doch geschah – solche Menschheitsverbrechen an den jüdischen Mitbürgern begehen würden. Dr. Hugo und Senta Bernd wurden am 2. März 1943 mit der 5. Deportation von Koblenz aus in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau verschleppt und dort in den Gaskammern ermordet. Das Vermögen der Familien wurde vom NS-Staat eingezogen.
Landtagspräsident Joachim Mertes (2.v.r) bei der Ausstellungseröffnung mit (v.l.n.r.) Joachim Hennig, dem Stellvertretenden Vorsitzenden des Fördervereins und Kurator des regionalen Teils von Koblenz, Chistoph Gann, dem Kurator der Wanderausstellung "Wenn ihr hier ankommt...." und der Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des Landtages Elke Steinwand.
Landtagspräsident Joachim Mertes (links) im Gespräch mit Herrn Simon Burne, dessen Vater Hans Bernd (John Burne) in dem regionalen Teil von Koblenz in der Wanderausstellung "Wenn ihr hier ankommt...." porträtiert wird, daneben der Kurator des regionalen Teils von Koblenz unser stellvertretender Vorsitzender Joachim Hennig, daneben der Kurator der Wanderausstellung Christoph Gann.
Fotos: PresseBild Klaus Benz, 55130 Mainz
Vor gut 70 Jahren wurden tausende deutscher Kinder in Zügen nach England transportiert. Ihre Eltern waren Juden und versuchten sie vor dem Nazi-Regime in Sicherheit zu bringen. Für manche war das ein Abschied für immer. Denn viele der jüdischen Eltern wurden später in Konzentrationslagern umgebracht. Im Vorfeld des Ausschwitz-Gedenktages am 27. Januar wurde gestern in Koblenz eine Ausstellung eröffnet mit Einzelschicksalen solcher Kinder. SWR-Reporterin Bärbel Brüggmann hat dabei auch Angehörige der Opfer getroffen.