Ende des Jahres 1998 hatte Hennig die Recherche zu NS-Opfern aus Koblenz und Umgebung dann so weit gefördert, dass er einzelne kurze Biografien vorstellen konnte. Das war auch sehr sinnvoll, konnte der Verein doch mit diesen Lebensbildern an weitgehend unbekannte Menschen erinnern und damit zugleich für das geplante Mahnmal werben. Die NS-Opfer erhielten damit einen Namen, ein Gesicht und eine Geschichte und machten damit deutlich, für wen das geplante Mahnmal errichtet werden sollte.
So wurde eine Artikelserie in der Rhein-Zeitung mit NS-Opfern aus Koblenz und Umgebung konzipiert, die bis zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar enden und nach dem 9. November, dem Gedenktag an die Novemberpogrome 1938, beginnen sollte. Damit entstand die erste systematische und kontinuierliche Darstellung von Biografien Koblenzer NS-Opfer.
Die Artikelserie mit den Lebensbildern von acht NS-Opfern aus Koblenz und Umgebung begann in der Koblenzer Ausgabe der Rhein-Zeitung vom 28. Dezember 1998 und endete mit der Ausgabe vom 23./24. Januar 1999.
Die Serie startete mit einem einführenden Beitrag in der Rhein-Zeitung vom 28. Dezember 1998.
Ebenfalls in der Ausgabe vom 28. Dezember 1998 startete die Reihe mit einem Porträt von P. Franz Reinisch von der Schönstatt-Bewegung.
Pater Franz Reinisch: "Einem Verbrecher einen Eid leisten? -Niemals."
Während des "Dritten Reiches" wurden im Rheinland viele katholischen Priester, Ordensleute und auch Laien wegen ihres Glaubens verfolgt. Auf ihrem Rücken trugen die Nazis ihren "Weltanschauungskampf" gegen die katholische Kirche aus. Dabei blieben die Priester ohne wirkliche Unterstützung ihrer Kirche. Sie waren "Märtyrer ohne Auftrag".
Unter diesen Opfern nahm Franz Reinisch eine Sonderstellung ein. Er ließ sein Leben für seinen Glauben und war zudem ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus.
1903 in Feldkirch/Österreich geboren studierte er Rechtswissenschaften und Theologie. Er trat in den Pallotiner-Orden ein und kam in den 30er Jahren zur Schönstatt-Bewegung in Vallendar-Schönstatt. Dort gehörte er zum engsten Kreis um deren Gründer Pater Josef Kentenich.
Als Hitler im Jahre 1939 den Zweiten Weltkrieg entfesselte, stand für Pater Reinisch bald fest, bei einer Einberufung zum Kriegsdienst den Fahneneid, den Eid auf Hitler persönlich, nicht zu leisten. Schon 1939 sagte er in Schönstatt: "Den Soldateneid auf die nationalsozialistische Fahne, auf den Führer, darf man nicht leisten. Das ist sündhaft. Man würde ja einem Verbrecher einen Eid geben."
Im April 1942 erhielt er den Gestellungsbefehl und verweigerte dann, obwohl er sich immer wieder prüfte, konsequent den Eid. Deshalb machte man ihm drei Monate später vor dem höchsten deutschen Militärgericht, dem Reichskriegsgericht in Berlin, den Prozeß. Die Anklage lautete auf "Zersetzung der Wehrkraft".
Das Verfahren war wie in vielen anderen Fällen eine Farce. Es ging den Richtern - Juristen und hohen Militärs - nicht um die Wahrheitsfindung, sondern nur um ein "Verurteilen" und "Ausmerzen" eines Andersdenkenden. Als Pater Reinisch seine Beweggründe vor dem Reichskriegsgericht darlegen wollte, unterbrach ihn der Vorsitzende mit den Worten: "Halten Sie keine kirchliche Propagandarede. Wir sind kein Kirchengericht, sondern ein Kriegsgericht!"
Das von Anfang an feststehende Urteil lautete auf Todesstrafe und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit. In den Urteilsgründen hob das Gericht zu allem Überfluß auch noch hervor, daß die kirchlichen Oberen nicht zu ihm gestanden hätten. Tatsächlich hatte ihn der Orden wegen seiner Haltung aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.
Auch nach dem Urteil ließ sich Pater Reinisch durch niemanden von seiner Überzeugung abbringen, obwohl dies sicherlich sein Leben gerettet hätte. Für die Verweigerung des Eides auf Hitler persönlich starb er den Märtyrertod. In großer Glaubens- und Gewissenstreue hat er den Tod angenommen und dies in seinem selbstverfaßten Sterbelied in die Worte gefaßt: "Auch heute ruft Gott wieder nach einer Heldenschar; drum bringe mich, o Mutter, als Liebesopfer dar." Am 21. August 1942 um 5.03 Uhr wurde Pater Franz Reinisch im Zuchthaus Brandenburg durch das Fallbeil hingerichtet. In dieser Nacht wurden dort insgesamt sieben Todesurteile vollstreckt.
Seine sterblichen Überreste sind neben der Schönstätter Gnadenkapelle beigesetzt. Sein Leben ist in mehreren Büchern beschrieben über ihn beschrieben. Auch sonst ist er nicht vergessen. In Bruchsal, Bad Kissingen, Friedberg bei Augsburg und in einer Wallfahrtskirche bei Schwäbisch-Gmünd erinnern Gedenkplaketten und -tafeln sowie in einer Abteikirche bei Höxter ein Gedenkstein an ihn. Auch Vallendar hat Pater Reinisch nicht vergessen. Vor einem halben Jahr hat der Stadtrat beschlossen, eine der beiden nächsten neuen Straßen nach ihm zu benennen.
Joachim Hennig in Rhein-Zeitung vom 28.Dezember 1998