Gleich zwei gute Gründe zur Freude
In diesen Tagen gibt es zur Gedenkarbeit in Koblenz und Umgebung gleich zwei gute Nachrichten zu vermelden:
Zum einen hat unser stellvertretender Vorsitzender Joachim Hennig seine seit längerer Zeit begonnene Arbeit über die Geschichte der Juden in Koblenz:
„Von der ‚Universitas Iudeorum in Confluencia‘ zu Körperschaften des öffentlichen Rechts – Geschichte der Juden in Koblenz“
weiter fortsetzen können.
Nach dem Teil 1 der Geschichte (Von den Anfängen bis 1871)
https://mahnmalkoblenz.de/PDF_AUF/Aus%20der%20Geschichte%20der%20Juden%20in%20Koblenz_Teil1.pdf
dem Teil 2 (Von 1871 bis 1933)
https://mahnmalkoblenz.de/PDF_AUF/Aus%20der%20Geschichte%20der%20Juden%20in%20Koblenz_Teil2.pdf
dem Teil 3 (Von 1933 bis 1938)
https://mahnmalkoblenz.de/PDF_AUF/Aus%20der%20Geschichte%20der%20Juden%20in%20Koblenz_Teil3.pdf
ist jetzt der größte Teil des Teils 4 (Von 1938 bis 1942)
https://mahnmalkoblenz.de/PDF_AUF/Aus%20der%20Geschichte%20der%20Juden%20in%20Koblenz_Teil4a.pdf
auf dieser Homepage zu sehen.
Dieser Teil 4 umfasst die Geschichte der Juden in Koblenz vom Novemberpogrom 1938 („Reichspogromnacht“) bis Ende des Jahres 1941 (bis zur „Wannsee-Konferenz“). In diesem Teil schildert Hennig sehr ausführlich den Novemberpogrom und dessen Folgen. Das ist die erste systematische und wissenschaftlich fundierte Darstellung der Verbrechen in Koblenz. Dabei werden die Geschehnisse sehr plastisch und detailreich anhand der nach dem Krieg erfolgten Ermittlungen der Kriminalpolizei und des Urteils des Landgerichts Koblenz aus dem Jahr 1951 und von Berichten von Zeitzeugen erzählt.
Ein wichtiges Anliegen der Arbeit ist es, nicht bei dieser Darstellung - wie häufig in Regionalstudien - aufzuhören, sondern auch die Folgen des Pogroms aufzuzeigen: die Verhaftung und Verschleppung der männlichen Juden, die Reaktionen auf den Pogrom, die wirtschaftlichen und sonstigen Folgen, die Massenflucht und die Kindertransporte. Weiter wird die Geschichte bis zum Zweiten Weltkrieg und dessen Beginn erzählt, die Konzentration der Juden in „Judenhäusern“, in der Israelitischen Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn und im Lager „Tagschacht“ in Friedrichssegen bei Lahnstein einschließlich der Zwangsdienste von Juden. Dieser Teil der Geschichte schließt mit der 1. und 2. Deportationswelle der „reichsdeutschen“ Juden nach dem Osten ab dem 15. Oktober 1941 ab. Dabei geht Hennig auf die gesamte Deportationsgeschichte ein, wenn auch die Deportationen aus Koblenz und Umgebung erst mit der Deportation am 22. März 1942 in das „Durchgangsghetto“ Izbica bei Lublin im „Generalgouvernement“ begannen. Denn schon von den ersten Deportationen von „Reichsjuden“ ab Oktober 1941waren auch Koblenzer betroffen, die zuvor ihre Heimat verlassen und als „Binnenflüchtlinge“ der Verfolgung zu entgehen versucht hatten.
Dieser Teil 4 ist schon jetzt mit 170 Seiten so umfangreich geworden, dass er nicht in einem Stück geschrieben und hier veröffentlicht werden konnte. Ausgespart ist jetzt noch die Zeit des Holocaust, die Zeit von der Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 bis zur Befreiung am 8. Mai 1945. Hennig arbeitet bereits an dieser Fortsetzung, aller Voraussicht nach wird sie in diesem Sommer hier auf der Homepage des Fördervereins Mahnmal Koblenz zu sehen sein.
Und die zweite Freude ergibt sich aus Ihrem/Euren Besuch dieser Homepage. Am 10. Juli 2024 waren bisher drei Millionen BesucherInnen hier! Das ist Anlass zur Freude! Ihr/Euer Interesse an unseren Informationen zeigt, wie wichtig die Erinnerung an die NS-Opfer und die NS-Geschichte in und um Koblenz auch heute noch ist, ist sie doch ein Stück politische Bildungsarbeit und Menschenrechtsarbeit. Unser Dank geht an Sie/Euch alle, die diese Homepage des Fördervereins Mahnmal Koblenz besucht haben und weiter besuchen. Das ist für unser Team Ansporn, auf diesem Weg nach besten Kräften und Möglichkeiten fortzufahren. Also: Auf die nächste Million!
Diese Arbeit in allen ihren Teilen war und ist nur möglich durch die Förderung von Demokratie leben! und der Leitstelle für Kriminalprävention des Ministeriums des Innern und für Sport des Landes Rheinland-Pfalz. Unser Dank gilt auch diesen beiden Einrichtungen, verbunden mit der Hoffnung, von beiden Einrichtungen auch weiterhin eine Förderung zu erhalten!
„Der Schwur von Buchenwald“ ist jetzt
Vor 79 Jahren, am 11. April 1945, wurde das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar von amerikanischen Truppen befreit. Wenige Tage später, am 19. April 1945, versammelten sich dort auf dem Appellplatz 21.000 Häftlinge des ehemaligen KZ. Sie alle gedachten ihrer ermordeten Kameraden und legten den „Schwur von Buchenwald“ ab:
Wir Buchenwalder, Russen, Franzosen, Polen, Tschechen, Slowaken und Deutsche, Spanier, Italiener und Österreicher, Belgier und Holländer, Engländer, Luxemburger, Rumänen, Jugoslawen und Ungarn kämpften gemeinsam gegen die SS, gegen die nazistischen Verbrecher, für unsere eigene Befreiung.
Uns beseelte eine Idee: Unsere Sache ist gerecht – Der Sieg muss unser sein!
Wir führten in vielen Sprachen den gleichen harten, erbarmungslosen, opferreichen Kampf, und dieser Kampf ist noch nicht zu Ende. Noch wehen Hitlerfahnen! Noch leben die Mörder unserer Kameraden! Noch laufen unsere sadistischen Peiniger frei herum!
Wir schwören deshalb vor aller Welt auf diesem Appellplatz, an dieser Stätte des faschistischen Grauens:
Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig. Zum Zeichen Eurer Bereitschaft für diesen Kampf erhebt die Hand zum Schwur und sprecht mir nach:
WIR SCHWÖREN!
21.000 Männer streckten die Hand zum Himmel und sprachen: „Wir schwören!“
Auch 79 Jahre nach der Befreiung der nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager ist der Schwur der befreiten Häftlinge aktuell, aktueller denn je. Denn: „Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das kroch.“ (Bertolt Brecht). Die Gefahr des erstarkenden Faschismus ist nicht gebannt, sie ist größer denn je.
Heute können die Überlebenden von Buchenwald nicht mehr kämpfen, sie sind nicht mehr unter uns. Damals auf dem Appellplatz standen auch ehemalige Häftlinge aus Koblenz und Umgebung, u.a.: der Jude Heinz Kahn, der Sozialdemokrat Dr. Hans Bauer und der Kommunist Alfred Knieper.
Heinz Kahn war 1943 nach jahrelangen Schikanen mit seiner Familie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert worden. Während seine Eltern Dr. Moritz und Elise Kahn und seine Schwester Gertrud sofort ins Giftgas geschickt wurden, überlebte Heinz die Selektion und kam zur Arbeit nach Auschwitz III, nach Monowitz. Im Januar 1945 ging er mit vielen anderen „auf Transport“ ins KZ Buchenwald. Nach der Befreiung setzte er seine Ausbildung fort, war ab 1954 Tierarzt in Polch und ab 1987 Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Koblenz. Dr. Heinz Kahn starb im Jahr 2014 im Alter von 91 Jahren. (Weiterführende Informationen HIER)
Dr. Heinz Kahn, nach der Befreiung um 1950
Dr. Hans Bauer war Lehrer und später Leiter der Bürgerschule in Bendorf. Er engagierte sich politisch bei dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und bei der Deutschen Staatspartei, als diese dann weiter nach rechts rückte bei der SPD. Schon bald entließen ihn die Nazis als „politisch unzuverlässig“ aus dem Schuldienst. Hans Bauer arbeitete weiter und illegal für die inzwischen verbotene SPD und hielt Kontakt zum Grenzsekretariat der SOPADE. Deswegen wurde er wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 2 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus verurteilt. Nach Strafverbüßung kam er nicht frei, sondern in Koblenz in „Schutzhaft“ und 1938 in das KZ Buchenwald. Nach der Befreiung war er Oberstudiendirektor des Gymnasiums in Traben-Trarbach. Dr. Hans Bauer starb 1947 geschwächt an den Folgen der erlittenen langjährigen Haft auf dem Weg zur Arbeit. (Weiterführende Informationen HIER)
Dr. Hans Bauer, um 1930
Der Keramikarbeiter Alfred Knieper aus Höhr-Grenzhausen war schon früh Gewerkschafter und Kommunist. Nach der Machtübernahme der Nazis am 30. Januar 1933 kam er wiederholt in „Schutzhaft“, u.a. in das KZ Esterwegen im Emsland. Mit Beginn des von Hitler-Deutschland entfesselten Zweiten Weltkriegs wurde er im Rahmen der sog. A-Kartei-Aktion als „Sicherheitsrisiko“ verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt. Nach der Befreiung engagierte er sich weiter für die KPD, war Landesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und wurde Regierungsvizepräsident des damaligen Regierungsbezirks Montabaur. Im Zuge der ersten Berufsverbote im Jahr 1950 (sog. Adenauer-Erlass) beendete er sein Engagement für die KPD und VVN und entging so der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Zuletzt war er Regierungsdirektor im Sozialministerium. Alfred Knieper starb im Jahr 1973. (Weiterführende Informationen HIER)
Alfred Knieper, nach der Befreiung um 1945
Diese drei „Buchenwalder“ können nicht mehr für die „Vernichtung des Nazismus“ und den „Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit“ kämpfen. So sind wir Heutigen aufgerufen, uns dafür zu engagieren. Der Schwur von Buchenwald ist jetzt!