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Der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2000
Auch das Jahr 2000 begann am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus mit einer von unserem Förderverein organisierten Gedenkstunde mit christlich-jüdischem Gebet in einer Innenstadtkirche von Koblenz. Dies geschah schon zum dritten Mal und begründete schon eine kleine Tradition des Gedenkens. Einzelheiten dazu sind heute nicht mehr erinnerlich.
Der Gedenktag für die NS-Opfer war dann Anlass für das Bischöfliche Cusanus-Gymnasium, Joachim Hennig zu einem Vortrag mit dem Thema „Verfolgung und Widerstand in Koblenz 1933-1945“ einzuladen. Dieser Vortrag im Bischöflichen Cusanus-Gymnasium Anfang Februar 2000 war dann der erste dieser Art in Schulen, bei Vereinen und Gruppen.
Zeitungsartikel aus der Rhein-Zeitung vom 3. Februar 2000
Seine Vortragstätigkeit setzte Hennig im Mai fort mit einem Vortrag in Boppard/Rhein beim Geschichtsverein für Mittelrhein und Vorderhunsrück e.V. Im Rheinhotel Bellevue referierte Hennig über die in Boppard geborene Widerständlerin Maria Terwiel, die Mitglied der von der Gestapo so genannten „Roten Kapelle“ war, und die für ihren Widerstand vom Reichskriegsgericht in Berlin zum Tode verurteilt und in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde.
Bald erschien auch der 2. Teil des Aufsatzes von Joachim Hennig „Verfolgung und Widerstand in Koblenz 1933 – 1945“ in der Zeitschrift „Sachor“, Ausgabe 1/00, Seiten 5 – 27.
Auf der Grundlage dieser Veröffentlichung fand ein vertiefendes Gespräch mit Vertretern der drei Archive über eine Ausstellung mit diesem Thema statt. Dabei stellte sich heraus, dass für eine professionell erarbeitete und präsentierte Ausstellung dieser Art Kosten in Höhe von 80.000 bis 90.000 D-Mark entstünden. Das war eine Größenordnung, die für unseren sehr kleinen und finanzschwachen Verein völlig illusorisch war, zumal die Errichtung und Finanzierung des Mahnmals unsere Ressourcen voll in Anspruch nehmen würden. Deshalb nahm der Verein sehr schnell Abstand von dem angedachten Projekt.
Im Jahr 2000 erschien auch das von Heinz Monz herausgegebene „Trierer biographisches Lexikon.
Heinz Monz (Hg.): Trierer biographisches Lexikon, Trier 2000.
Darin schrieb Hennig einige Kurzbiografien über NS-Opfer und auch NS-Täter, und zwar über:
den Staatsanwalt Leonhard (Leo) Drach
Lesen Sie HIER seine Kurzbiografie, a.a.O., S. 87-88.
den Gestapobeamten Fritz Hartmann
Lesen Sie HIER seine Kurzbiografie, a.a.O., S. 157-158
die Eheleute Andreas (André) und Anneliese Hoevel, geb. Fiedler
Lesen Sie HIER die Kurzbiografie der beiden, a.a.O. S. 186
den Richter Adolf Raderschall
Lesen Sie HIER seine Kurzbiografie, a.a.O., S. 351-352
Unterdessen nahm die Diskussion über das Mahnmal weiter Fahrt auf. Inzwischen war man sich einig, dass Ausgangspunkt dafür zwar das Schicksal von Anna Speckhahn sein sollte, dass das Mahnmal aber an alle Opfer des Nationalsozialismus und damit an die gesamte Breite und Vielfalt der Verfolgung und des Widerstandes erinnern sollte.
Dann schrieb unser Verein zehn Künstler mit der Bitte um einen Entwurf für das auf dem Reichensperger Platz vorgesehene Mahnmal an. Sieben von ihnen reichten Entwürfe ein. Die zwölfköpfige Jury unter dem Vorsitz unseres Vorsitzenden Kalle Grundmann entschied sich für den Entwurf des Traben-Trarbacher Künstlers Jürgen Waxweiler.
Nach dem später auch realisierten Entwurf besteht das Mahnmal aus zwei Sandsteinblock-Hälften (jeweils Länge 180 x Breite 80 x Höhe 230 cm) und vier rostigen Stahlkäfig-Winkeln. Auf der Schnittfläche des einen Steins ist der Text „Gedenkt der Verfolgten, Geschundenen, Ermordeten 1933 – 1945“ eingraviert. Die Schnittfläche der 2. Steinhälfte ist mit dem Text der Grundrechtsartikel unseres Grundgesetzes beschriftet. Das sollte die Mahnung sein, die Freiheit zu verteidigen und zu bewahren. Um die beiden Steinhälften sollten sich in ungeordneter Stellung dann vier jeweils drei Meter breite und drei Meter hohe Stahlelemente gruppieren. Sie sollen einen Käfig symbolisieren, der sich auflöst. Diese Symbolik des Käfigs und der Gedenk- und Mahntext auf den Steinhälften soll nach Vorstellung Waxweilers den Betrachter zum Nachdenken über Freiheit und Unfreiheit anregen.
Lesen Sie HIER den Artikel über die Präsentation des Modells im Super Sonntag
Um für das Mahnmal und für die Opfer, an die mit ihm erinnert werden sollte, zu werben, porträtierte Joachim Hennig in der Zeit vom 9.November 2000 bis zum 27. Januar 2001 in einer Reihe der Rhein-Zeitung insgesamt 12 NS-Opfer aus Koblenz und Umgebung.
Die Reihe begann mit einem einführenden Artikel in der Rhein-Zeitung vom 9. November 2000 mit der Überschrift: „Ein Mahnmal soll an sie erinnern“.
Lesen Sie HIER den RZ-Artikel vom 9. November 2000.
Ebenfalls in der Ausgabe vom 9. November 2000 startete die Reihe mit einem Porträt des Koblenzer Polizeipräsidenten Dr. Ernst Biesten.
Lesen Sie hier das Porträt von Dr. Ernst Biesten:
„Tue recht und scheue niemand!“
Teil 1 der RZ-Serie von Joachim Hennig über Opfer des Nationalsozialisamus in Koblenz vom 9. November 2000:
Dr. Ernst Biesten
Eines der ersten Opfer der am 30. Januar 1933 an die Macht gekommenen Nationalsozialisten war der Koblenzer Polizeipräsident Biesten. Schon Anfang Februar gestalteten sie die Polizei um: Die SA, die SS und der Bund der Frontsoldaten „Stahlhelm“ ernannte man auf Anweisung Görings zur „Hilfspolizei“ und entfernte demokratische und republikanisch gesinnte Beamte aus ihren Ämtern. Keine zwei Wochen nach der so genannten Machtergreifung wurde der Polizeipräsident Biesten, der der Zentrumspartei angehörte, wegen politischer Unzuverlässigkeit aus dem Amt vertrieben. Damit hatten die Nazis einen unerschrockenen Demokraten und entschiedenen Gegner beseitigt.
Der 1884 in Niederlahnstein geborene Biesten war seit 1914 besoldeter Beigeordneter der Stadt Koblenz und seit 1919 Dezernent und damit Chef der damals noch kommunalen Polizei in Koblenz. In dieser Eigenschaft hatte er sich u.a. große Verdienste im Kampf gegen den aufkommenden Nationalsozialismus erworben. Stationen in diesen Auseinandersetzungen - gerade auch mit dem Gauleiter Ley und dem nationalsozialistischen „Westdeutschen Beobachter“ - waren die Demonstration der Nazis gegen die jüdischen Kaufleute Weihnachten 1926, der „Schwarze Sonntag von Nastätten“ 1926 (mit der Verhaftung von 69 Nazis, darunter auch Ley) und die Diffamierungen im Zusammenhang mit dem Lützeler Unglück 1930. Dieser ständige und harte Kampf gegen die Nazis nahm dann noch zu, nachdem Biesten - nach Verstaatlichung der Koblenzer Polizei - ab Januar 1930 erster Polizeipräsident von Koblenz geworden war.
Welch wichtiger Gegner der Nazis Biesten war, macht der Kommentar des Redakteurs des „Westdeutschen Beobachters“ zu dessen Entlassung deutlich: „In der Zeit meines jetzt rund zwölfjährigen Kampfes für Hitlers Bewegung stand ich mehr als 200 mal vor den Gerichten des Novembersystems, und nur selten hat sich ein Gegner hinterhältiger benommen wie Herr Dr. Biesten!“
Aufgrund seiner Entlassung wegen politischer Unzuverlässigkeit schaffte es Biesten jahrelang nicht, beruflich wieder Fuß zu fassen. Schließlich wurde er Prokurist und später geschäftsführender Gesellschafter einer zunächst jüdischen Schuhgroßhandlung in Frankfurt/Main.
Nach der Befreiung holten ihn die Amerikaner nach Koblenz zurück. Er wurde Polizeipräsident für den Regierungsbezirk Koblenz und war zugleich Vorsitzender der Bereinigungskommission, die im Regierungsbezirk Koblenz zunächst für die Entnazifizierung zuständig war. Biesten war Mitbegründer der CDU in Koblenz, Neuorganisator der Polizei und wäre fast Regierungspräsident von Montabaur geworden, um dann statt dessen Chef und Organisator der Rheinischen Verwaltungsschule in Cochem und kommissarischer Landrat von Cochem zu werden. Neben Prof. Dr. Adolf Süsterhenn war Biesten maßgeblich an den Vorarbeiten für die Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz beteiligt. Schließlich war er erster Präsident des Landesverwaltungsgerichts (Oberverwaltungsgerichts) in Koblenz und erster Vorsitzender (Präsident) des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz.
Ernst Biesten, dessen Lebensmotto lautete „Tue recht und scheue niemand“, starb 1953. Er ist auf dem Koblenzer Hauptfriedhof beigesetzt, seit einiger Zeit ist sein Grab auf dem Lageplan des Friedhofs verzeichnet. 1996 erschien über diesen „Demokraten in vier Epochen“ eine umfangreiche Biografie.