Zeitzeugengespräch im Haus der Jugend in Montabaur.
Ende März waren Daweli Reinhardt und Joachim Hennig zu einem weiteren Zeitzeugengespräch im Haus der Jugend in Montabaur. Mit dabei waren auch Dawelis Sohn Django und Dawelis Enkel, die die Zuschauer mit Dawelis Musik und dem Sinti-Swing erfreuten.
HIER den Zeitungsartikel aus der Westerwälder Zeitung vom 15. März 2004 lesen.
Fotos von der Veranstaltung:
Veranstaltung zum Thema „Der deutsche Widerstand gegen das NS-Regime“
Anfang Juni zeigte unser Förderverein Teile seiner Dauerausstellung, die inzwischen 33 Personentafeln umfasste, im Rahmen eines dreitägigen Seminars der Fridtjof-Nansen-Akademie in Ingelheim. Für diese Veranstaltung zum Thema „Der deutsche Widerstand gegen das NS-Regime“ erarbeitete Joachim Hennig weitere Biografien von Widerständlern aus Koblenz und Umgebung und präsentierte 17 Personentafeln zu diesem Thema.
Auch hielt unser stellvertretender Vorsitzender Joachim Hennig bei der Veranstaltung eine Einführung in die Ausstellung, die nachfolgend in den zwei vorgetragenen Teilen dokumentiert wird.
Einführung in die Ausstellung „Widerständler aus dem Raum Koblenz“
Joachim Hennig, Vortrag gehalten am 2 Juni 2004 in Ingelheim
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich freue mich, Ihnen hier im Fridtjof-Nansen-Haus in Ingelheim im Rahmen der Tagung „Wider das Vergessen der Tyrannei: Der Deutsche Widerstand gegen das NS-Regime“ die Ausstellung „Widerständler aus dem Raum Koblenz“ präsentieren zu können.
Beginnen möchte ich die Einführung dazu mit einer auf den ersten Blick verwirrenden Feststellung: Das, was Sie hier sehen, ist gar keine Ausstellung. Und tatsächlich ist sie es auch nicht. Ja, was ist es denn das, was ich Ihnen hier präsentiere, denn, wenn es keine Ausstellung ist?
Eine Ausstellung ist etwas fest Gefügtes. Das sind einzelne Ausstellungstafeln, die nummeriert sind, die entsprechend der Nummernfolge aufgebaut werden und die dann ein geschlossenes Thema „abschließend“ darstellen. In diesem Sinne ist das, was Sie hier sehen, keine Ausstellung. Und das will ich Ihnen erklären.
Vor einigen Jahren, es war Ende 1997, hat sich in Koblenz ein Förderverein zur Errichtung eines Mahnmals für die Opfer des Nationalsozialismus aus Koblenz gebildet. Das war also ein Verein, dem es in erster Linie um die Errichtung eines Mahnmals für NS-Opfer aus Koblenz ging – und zwar aller NS-Opfer, nicht nur der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz. Inzwischen ist dieses Mahnmal errichtet und eingeweiht. Seit August 2001 steht es auf der Grünfläche des Reichensperger Platzes – wer sich auskennt: vor der ehemaligen Bezirksregierung in Koblenz. Auf der Einführungstafel dieser „Nicht-Ausstellung“ können Sie das Mahnmal als Hintergrundbild sehen. Das Mahnmal ist auch auf dem Flyer zu sehen, den ich Ihnen hier ausgelegt habe.
Um Spendengelder für dieses Mahnmal zusammen zu bringen und um die Idee des Mahnmals breiteren Bevölkerungskreisen zu vermitteln, habe ich ab November 1998 in drei Serien in der Koblenzer Rhein-Zeitung Kurzbiografien von Opfern des Nationalsozialismus aus Koblenz – und erweiternd – aus seiner Umgebung veröffentlicht. Ich hätte gern noch mehr publiziert, aber immerhin sind so 28 Kurzbiografien entstanden. Außerdem habe ich in der leider nicht mehr erscheinenden Zeitschrift „Sachor“ im Jahre 1999 einen großen zweiteiligen Aufsatz zum Thema „Verfolgung und Widerstand in Koblenz und Umgebung“ veröffentlicht. Das ist zugegebenermaßen ein Thema, zu dem in anderen Städten und Regionen schon längst Aufsätze und auch Bücher erschienen sind, aber für Koblenz und den Koblenzer Raum war das ganz neu und die erste Publikation dieser Art.
Nun werden Sie sicherlich fragen, was haben denn diese Zeitungsartikel über einzelne Opfer des Nationalsozialismus und der große Aufsatz in „Sachor“ mit dieser „Nicht-Ausstellung“ zu tun? Nun, das waren die Grundlage, dafür habe ich seinerzeit viel Material zusammengetragen, viel Material das ich dann auch für diese Tafeln, die Sie hier sehen, verwenden konnte. Dass diese Arbeit dann aber auf eine Ausstellung zulief, lag an weiteren Umständen. Der nächste wichtige Umstand war der, dass mich Zeugen Jehovas aus Koblenz ansprachen. Sie wollten in Koblenz die bekannte Wanderausstellung der Wachtturmgesellschaft „Standhaft trotz Verfolgung“ zeigen und hatten die Idee, dieser bundesweiten Ausstellung einen regionalen Teil über Zeugen Jehovas aus Koblenz, die in der NS-Zeit verfolgt wurden, beizufügen. Mit diesem Anliegen wandten sie sich an mich, ich sagte zu, recherchierte und stellte dann fest, dass es damals noch gar keine Versammlung von Zeugen Jehovas in Koblenz und nicht einmal einen einzigen „richtigen“ Zeugen Jehovas in Koblenz gab. Aber es gab Zeugen Jehovas aus der Umgebung von Koblenz, aus Neuwied, aus Bad Kreuznach und aus Idar-Oberstein, die dann durch das Gericht in Koblenz und die Gestapo in Koblenz verfolgt wurden und vielfach von Koblenz aus in Konzentrationslager „überführt“ wurden. Immerhin habe ich auf diese Weise vier Lebensschicksale von Zeugen Jehovas recherchiert und diese dann im Jahre 2001 in dem Koblenzer Teil zur Ausstellung „Standhaft trotz Verfolgung“ dargestellt. Eines dieser Schicksale war das der Familie Michaelis aus Neuwied, das Sie auf einer dieser Personentafeln hier sehen.
Aus diesem Ansatz heraus entstand dann die Idee, die Wanderausstellung „Frauen im Konzentrationslager 1933 – 1945. Moringen – Lichtenburg – Ravensbrück“ des Studien-kreises deutscher Widerstand in Frankfurt/Main zum 27. Januar 2003, dem nationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus nach Koblenz zu holen und diese dann ebenfalls um einen regionalen Teil über Frauen aus Koblenz und Umgebung im Konzentrationslager zu ergänzen.
Ein Glücksfall war es, dass die Ausstellung „Frauen im Konzentrationslager“ so übersichtlich, klar und einfach konzipiert war, dass wir sie für unseren regionalen Teil auch mit relativ geringem technischen Aufwand und grafischem Know-how übernehmen, „abkupfern“ konnten. Dass dies im Einverständnis und mit Hilfe des Studienkreises erfolgte, möchte ich nur der guten Ordnung halber hier erwähnen. Und ich freue mich ganz besonders, dass ich hier und heute Frau Dr. Ursula Krause-Schmidt vom Studien-kreis deutscher Widerstand persönlich kennen lerne. Sie, liebe Frau Krause-Schmidt, waren es, die mir grünes Licht gegeben hat, um den regionalen Teil zur Ausstellung „Frauen im Konzentrationslager“ eben dieser Ausstellung nachzuempfinden. Was Sie hier an Tafeln sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist voll und ganz der Ausstellung „Frauen im Konzentrationslager“ des Studienkreises Deutscher Widerstand nachempfunden. Das gilt für die einzelne Personentafel, aber auch etwa für die Einführungstafel zur Ausstellung. Dabei geht es natürlich nur um das Formale, den Aufbau der Tafel und der Ausstellung – natürlich geht es nicht um die Inhalte, diese betreffen ganz speziell Koblenz. Als regionalen Teil der Ausstellung „Frauen im Konzentrationslager“ habe ich insgesamt zwölf Personentafeln von Frauen aus Koblenz und Umgebung erarbeitet. Hiervon finden Sie 1 ½ Tafeln hier wieder. Es ist die Tafel von Anneliese Hoevel und die „halbe Tafel“ ist die von Juliana Salzmann, ich habe diese jetzt mit neuen Erkenntnissen und Dokumenten neu und anders gestalten können, es ist jetzt die Tafel „Familie Salzmann“.
Die Kosten für diese Frauen-Tafeln konnten vom Förderverein Mahnmal nicht getragen werden. Zum Glück fanden wir Sponsoren, die Zuschüsse gaben bzw. die Kosten für einzelne Tafeln übernahmen. Dabei entstanden im Nachgang zur Ausstellung „Frauen im Konzentrationslager“ noch zwei weitere Tafeln, die hier auch gezeigten Personentafeln über Maria Terwiel und Lina Lindemann. Sponsoren sorgten dann dafür, dass außer den Frauen auch Männer als Opfer des Nationalsozia-lismus dargestellt werden konnten. So entstanden die hier zu sehenden Tafeln über Pfarrer Paul Schneider, Pater Franz Reinisch und Jakob Newinger.
Der Erfolg mit der Ausstellung „Frauen im Konzentrationslager“ hatte uns dann Mut gemacht, zum 27. Januar dieses Jahres so etwas Ähnliches noch einmal zu versuchen. Dieses Mal holten wir uns die Wanderausstellung „Wir hatten noch gar nicht angefangen zu leben“, eine Ausstellung über die Verfolgung der Jugend im Nationalsozialismus, speziell über die Jugend-Konzentrationslager Moringen und Uckermark, nach Koblenz. Zu dieser Wanderausstellung erarbeitete ich wieder Tafeln über Kinder und Jugendliche aus Koblenz und Umgebung. Aus dieser Ausstellungsergänzung sehen Sie hier die Lebensbilder dreier junger Leute: des Lahnsteiner Gymnasiasten Hans Blumensatt und der beiden Andernacher Willi Lohner und Edgar Lohner, die nur den Namen und ihre Gegnerschaft gegen den National-sozialismus gemein hatten, ansonsten aber weder miteinander verwandt sind noch voneinander überhaupt wussten.
Damit hatten wir – jeweils als Annex zu Wanderausstellungen – innerhalb von etwas mehr als einem Jahr insgesamt 33 Personentafeln von Opfern des Nationalsozialismus aus Koblenz und Umgebung erstellt. Hieraus hatte der Förderverein Mahnmal inzwischen eine eigene Dauerausstellung „Opfer des Nationalsozialismus aus Koblenz und Umgebung“ zusammengestellt – mit einer Einführungstafel, die Sie hier – in verkleinerter Form – auch am Anfang unserer „Nicht-Ausstellung“ sehen können.
Einen letzten Schub hat es durch den Gedenktag zur 60. Wiederkehr des 20. Juli 1944 und auch durch diese Veranstaltung gegeben. Dadurch gab es noch einen Zuschuss der Landes-zentrale für politische Bildung und auch eine Spende durch einen Sponsor, so dass ich noch insgesamt 6 ½ Personentafeln erarbeiten konnte: es sind die Tafeln von Adolf Reichwein, Nikolaus Thielen, Hermann Geisen, Andreas Hoevel, Friedrich Erxleben, Johann Bauer und die überarbeitete Tafel von Juliana Salzmann zur Tafel der Familie Salzmann.
Auf diese Weise bin ich in der glücklichen Lage, Ihnen hier insgesamt 17 Personentafeln von Widerständlern aus Koblenz und Umgebung präsentieren zu können. Diese Tafeln sind keine in sich abgeschlossene Ausstellung, sondern einzelne Tafeln aus der Dauerausstellung „Opfer des Nationalsozialismus aus Koblenz und Umgebung“, die zum Thema „Widerstand im Koblenzer Raum“ zusammengestellt sind.
Diese – vorläufig – 17 Widerständler aus dem Koblenzer Raum werden hier nun nicht lediglich als Personentafel präsentiert. In der Dauerausstellung und auch hier bei den Personentafeln habe ich ergänzend zu jeder Person eine Lesemappe erarbeitet. Sie enthält als Deckblatt noch einmal die Personentafel und dann – je nachdem, was ich zu der betreffenden Person an Unterlagen habe recherchieren können – weitere Dokumente wie Fotos, Zeitungs-artikel, Briefe, Urteile usw. Außerdem gibt es – soweit möglich – weiterführende Hinweise zu der jeweiligen Person und dann auch noch eine Kurzbiografie der Person – meistens aus der erwähnten Artikelserie aus der Rhein-Zeitung.
Sie sehen also, meine Damen und Herren, die Dauerausstellung des Fördervereins Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus aus Koblenz und Umgebung ist eine Ausstellung im Baukastensystem. Teile von ihr sind hier zusammengestellt zum Thema „Widerständler aus dem Koblenzer Raum“. Ähnlich gut lassen sich die inzwischen insgesamt 39 Personentafeln zu anderen Themen zusammenstellen – wenn auch nicht in einer Größenordnung von 17 Personentafeln wie hier – aber trotzdem.
Warum erzähle ich Ihnen das alles hier? Ich tue es natürlich, um Sie in diese Ausstellung, die uns während dieser Tagung begleitet, einzuführen. Das sieht ja auch das Programm vor. Darüber hinaus tue es aber auch aus zwei weiteren Gründen. Zum einen möchte ich Sie zur Nachahmung einer solchen Ausstellung, wie wir sie in Koblenz haben, anregen. Unsere Ausstellung soll Ihnen allen Mut machen, Mut machen, dass man eine solche Erinnerungsarbeit an Opfer des Nationalsozialismus mit wirklich wenig Geld und etwas Förderung selbst auf die Beine stellen kann. Es muss nicht viel kosten, damit es in einem gewissen Rahmen durchaus gut und würdig aussieht. Und damit es die Erinnerung an diese Menschen gerade auch vor Ort wachhält. Zum anderen will ich Sie auch einladen, diese Ausstellung auszuleihen. Mittlerweile haben wir so viele Personentafeln, dass wir für ein bis zwei Wochen gern einige Tafeln zu einem bestimmten Thema oder einer bestimmten Opfergruppe oder einem bestimmten Ort an eine Schule, an eine Stadt ausleihen können. Das ist überhaupt kein Problem. Als Thema bietet sich etwa das Thema hier an „Widerständler aus dem Koblenzer Raum“ oder auch andere Themen wie „Verfolgte Frauen aus dem Koblenzer Raum“ oder „Verfolgte Kinder und Jugendliche“ oder „Verfolgung aus religiösen Gründen“ oder auch zu bestimmten Orten o.ä. Der Transport der Tafeln ist kein Problem. Die Tafeln sind – wie Sie feststellen können – handlich und leicht. Sie passen in jedes Auto und können leicht transportiert werden. Von daher biete ich Ihnen und auch anderen Interessierten an, Teile der Ausstellung auszuleihen, damit sie in Ihrer Schule, in Ihrer Stadt o.ä. gezeigt werden kann.
Mit Ingelheim haben wir einen Schritt in diese Richtung getan. So wie hier kann das auch in anderen Städten von uns aus sehr gern geschehen.
Damit Sie nun aber auch sehen, was wir mit dieser Ausstellung zustande gebracht haben und was wir Ihnen als Lehrer und Multiplikator vor Ort bieten können, lade ich Sie nun sehr herzlich ein, sich mit mir die einzelnen Tafeln nun anzusehen.
Ich danke Ihnen.
Joachim Hennig: Fortsetzung der Einführung zur Ausstellung „Widerstand im Koblenzer Raum“. Vortrag gehalten am 2. Juni 2004 in Ingelheim
Im Anschluss an diese Einführung in die Ausstellung möchte ich Ihnen jetzt gern noch einige Personentafeln und damit Widerständler aus Koblenz und Umgebung vorstellen.
Darstellen möchte ich Ihnen die Personen aus Koblenz und Umgebung, die zu den bekannten Widerstandsgruppen der 40er Jahre gehörten, die aus der Koblenzer Region stammten und – sagen wir – zum „großen Widerstand“ gehörten bzw. damit in Zusammenhang standen.
„Rote Kapelle“
Beginnen möchte ich mit einem recht bekannten Mitglied der „Roten Kapelle“, mit Maria Terwiel.
Eine besondere Bedeutung im deutschen Widerstand hatte der Widerstandskreis um den Oberleutnant im Reichsluftfahrtministerium Harro Schulze-Boysen und um den Regierungsrat im Reichswirtschaftsministerium Arvid Harnack. Die Harnack/-Schulze-Boysen-Gruppe bestand aus einem Netz von mehr als 150 Widerständlern aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten, mit unterschiedlicher Bildung und ganz abweichenden politischen und auch religiösen Überzeugungen. Der Gestapo-Terminologie folgend bezeichnet man sie auch als die „Rote Kapelle“. Zum Teil kannten sie sich schon seit vielen Jahren und pflegten Kontakt in Freundes- und Gesprächszirkeln. Im Zuge des Zweiten Weltkrieges stießen weitere Personen zu diesen Gruppen und leisteten vielfältigen Widerstand. Sie strebten ein Ende des Krieges an und hofften auf eine Verständigung mit der Sowjetunion.
Ein Mitglied dieses großen Widerstandskreises, in der außergewöhnlich viele Frauen aktiv waren, war die in Boppard am Rhein geborene Maria Terwiel. Sie war die Tochter eines an das Bopparder Lehrerseminar versetzten Lehrers. Kaum war Maria ein Jahr alt, nahm der Vater eine Stelle im Osten an. Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte die Familie in das Rheinland zurück, zunächst war der Vater Prorektor am Lehrerseminar in Wittlich, dann Schulrat beim Regierungspräsidium in Köln und schließlich Regierungsdirektor in Düsseldorf. Zuletzt wurde er Vizepräsident des Oberpräsidiums von Pommern in Stettin. Dort machte Maria Terwiel ihr Abitur und studierte anschließend Rechtswissenschaft. Nach der „Machtergreifung“ wurde ihr Vater wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ entlassen und in den Ruhestand versetzt. Als Maria Terwiel feststellen musste, dass sie als „Halbjüdin“ - ihre Mutter war Jüdin - im Zuge der „Nürnberger Rassengesetze“ nach dem Studium keine Anstellung als Referendarin erhalten werde, brach sie ihr Studium ab. Sie ging daraufhin nach Berlin und arbeitete in einem französisch-schweizerischen Textilunternehmen. Wegen der Rassengesetze war eine Heirat mit ihrem Lebensgefährten Helmut Himpel nicht möglich. Durch einen Patienten Himpels – Himpel war Zahnarzt - erhielten die beiden Kontakt zu der Harnack/Schulze-Boysen-Organisation. Maria Terwiel war besonders aktiv bei der Verbreitung von Schriften und Flugzetteln. Im September 1942 wurden Maria Terwiel und Helmut Himpel verhaftet und am 26. Januar 1943 wegen „Hochverrat und Feindbegünstigung“ vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt. Helmut Himpel starb am 13. Mai 1943. Maria Terwiel folgte ihm am 5. August 1943 in den Tod. Sie wurde im Gefängnis Berlin-Plötzensee zusammen mit einer größeren Zahl von Widerstandskämpferinnen, wie es hieß „im Interesse der Kostenersparnis“, hingerichtet. Die Ablehnung des Gnadengesuchs trägt Hitlers eigenhändige Unterschrift.
II. Der Solf-Kreis
Andere Regimegegner trafen sich in Berlin im so genannten Solf-Kreis. Dieser zu Beginn der 30er Jahre um den ehemaligen deutschen Botschafter in Tokio Wilhelm Solf gebildete Kreis war eine lockere „Teegesellschaft“ mit Gesprächen über Kunst, Literatur und Politik. Nach dem Tod Wilhelm Solfs waren seine Ehefrau Johanna und ihre Tochter Gräfin Lagi Ballenstrem die Gastgeberinnen. Es war ein Kreis von Gleichgesinnten, denen eine liberale Grundhaltung und eine durch viele Auslandsauf-enthalte geprägte Weltoffenheit eigen war. Immer mehr sorgten sie sich um das drohende Unheil für Deutschland und knüpften unter Wissenschaftlern, Künstlern, Politikern und hohen Militärs ein Netz von „Sympathisanten“ für die Zeit „nach Hitler“. Der Kreis half auch vielen Juden und anderen politisch Verfolgten.
Ein Mitglied dieses Kreises war der ehemalige Armeepfarrer und Professor der Philosophie Dr. Friedrich Erxleben. Er stammte aus Koblenz, war hier im Jahre 1883 geboren, machte am Kaiserin-Augusta-Gymnasium (heute: Görres-Gymnasium) Abitur und ließ sich zum Sänger und Violinvirtuosen ausbilden. Später studierte er Theologie, nahm als Armeepfarrer am Ersten Weltkrieg teil, war Dozent an den Universitäten Prag und Wien für Vergleichende Religionswissenschaften, Professor für alte Sprachen im Jesuitenkolleg in Rom sowie Experte für asiatische, insbesondere indische Kultur; auch war er ein hervorragender Tenor und Oratoriensänger. Er hatte Kontakte und Freundschaften zu vielen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, u. a. zu Dr. Carl Sonnenschein, Prof. Dr. Theodor Heuss, Carl Zuckmayer und zum französischen Botschafter André Francois-Poncet.
Im Laufe der Zeit gelang es der Gestapo, einen Spitzel in den Solf-Kreis einzuschleusen. Er bezeichnete Erxleben als die „treibende Kraft bei den defätistischen Unterhaltungen im Hause Solf“. Im Mai 1944 wurde Erxleben wegen seiner Verbindungen zum Solf-Kreis verhaftet. Man hielt ihn gefangen in den Konzentrationslagern Ravensbrück und Sachsenhausen sowie im Gefängnis Berlin-Plötzensee. Im November 1944 wurde er mit mehreren anderen vor dem Volksgerichtshof wegen Wehrkraft-zersetzung und Feindbegünstigung angeklagt. Erxleben drohte die Todesstrafe, doch erging in seinem Verfahren kein Urteil. In der letzten Phase des Krieges, nach der Bombardierung des Volksgerichtshofs durch die Alliierten und den Tod Freislers Anfang Februar 1945, konnte die Hauptverhandlung nicht mehr „geordnet“ durchgeführt werden. Gleichwohl drohte ihm noch einmal unmittelbare Todesgefahr. Denn bei der Auflösung des Gestapogefängnisses Ende April 1945 wäre er - wie manche andere politische Gefangene - von den sich absetzenden Gestapoleuten fast noch ermordet worden. Durch eine glückliche Fügung gelang es ihm aber freizukommen. Unter der Haft hat er aber viel zu leiden gehabt, seelisch und auch physisch, so war er beispielsweise wochenlang in einem Käfig eingesperrt, in dem er weder sitzen noch aufrecht stehen konnte.
Der Kreisauer Kreis
Der bekannteste deutsche Widerstand gegen das NS-Regime - das Attentat des Obersten Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Führerhauptquartier Wolfschanze in Ostpreußen auf Hitler anlässlich einer Lagebesprechung am 20. Juli 1944 und die sich daran anschließende Operation „Walküre“, mit der der Umsturz im Reich bewerkstelligt werden sollte – haben keine Bezüge zu Koblenz und seiner Region. Das war ein Widerstand einzelner Militärs, zu denen Menschen aus Koblenz und Umgebung nicht gehörten. Gleichwohl lassen sich gewisse Verbindungen nach hier herstellen. Denn der militärische Widerstand war kein isoliertes Phänomen. Er war eingebunden und - um eine gewisse Chance auf einen politisch-gesellschaftlichen Umsturz zu haben - angewiesen auf eine zivile Oppositionsgruppe, wie sie um Carl Goerdeler, Ulrich von Hassell u.a. bestand. Sie hatte wiederum Kontakt zu Mitgliedern des „Kreisauer Kreises“. Diese um Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg entstandene Gruppe war auch traditionell geprägt, zu ihr gehörte aber ebenfalls eine Reihe prominenter jüngerer Sozialdemokraten, neben Carlo Mierendorff und Theodor Haubach auch der in Bad Ems geborene Professor Dr. Adolf Reichwein.
Adolf Reichwein kam in Bad Ems im Jahre 1898 als Sohn eines aus Heckholzhausen im Westerwald stammenden Volksschullehrers zur Welt. Hier verbrachte er seine frühe Kindheit, bis sein Vater mit der Familie im Jahre 1904 nach Ober-Rosbach bei Friedberg in Hessen übersiedelte. Geprägt durch die Jugend-bewegung des „Wandervogel“, nach Abitur, Einsatz im Ersten Weltkrieg, einem sehr breit angelegten Studium in Frankfurt-/Main sowie in Marburg/Lahn und Promotion war der Pädagoge Reichwein in vielen Funktionen für den Aufbau von Volkshoch-schulen, für die Lehrerfortbildung und für die Erwachsenen-bildung, speziell für die Bildung der Arbeiter, tätig. Er wurde Professor für Geschichte und Staatsbürgerkunde an der neueröffneten Pädagogischen Akademie in Halle/Saale und dort aus politischen Gründen im April 1933 entlassen. Danach war er Lehrer einer Dorfschule bei Berlin, entwickelte ein alternatives Schulmodell und war von 1939 bis 1944 Museumspädagoge in Berlin.
Seit 1940 hatte er sich dem „Kreisauer Kreis“ angeschlossen. Reichwein nahm nicht nur an den Tagungen dieser Widerstandsgruppe teil, sondern war auch maßgeblich am bildungs- und kulturpolitischen Programm der „Kreisauer“ beteiligt; er galt als Kultusministerkandidat für eine Regierung nach Hitler. Anfang 1944 arbeitete der „Kreisauer Kreis“ auf den Staatsstreich mit dem Attentat hin, dadurch wurde die Zusammenarbeit mit Stauffenberg immer intensiver. Auch nahmen die Anstrengungen zu, den Kontakt zu Widerstandszellen unter alten Sozialdemokraten und Gewerkschaftlern sowie gerade zum kommunistischen Widerstand zu verbessern. Treibende Kraft war neben dem sozialdemokratischen Arbeiterführer Julius Leber gerade auch Adolf Reichwein. Mit Wissen und Billigung Stauffenbergs kam es zu einem Treffen von Reichwein und Leber mit KPD-Funktionären, u.a. mit Anton Saefkow. Hierbei hatte sich ein Gestapo-Agent eingeschlichen, der alles verriet und die Verhaftung Reichweins und der anderen Beteiligten am 4. Juli 1944 bewirkte. Nicht zuletzt diese Verhaftungswelle war für Stauffenberg Anlass, kurzentschlossen und persönlich das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 auszuführen.
Reichwein wurde dann 3 ½ Monate in den Folterkellern der Gestapo festgehalten, dabei wurde er nicht nur schwer misshandelt, sondern nachts sogar mit einer Kette an Beinen und Armen gefesselt. Am 20. Oktober 1944 begann der Prozess gegen ihn und andere Sozialdemokraten vor dem Volksgerichtshof unter Vorsitz von Freisler. Trotz aller Misshandlungen und Demütigungen war er ungebeugt und aufrecht. Später sagte ein Mitangeklagter: „Mich packte eine tiefe Sympathie für diesen Mann. So wie er dastand, war er das Symbol alles Menschlichen, von dem selbst in diesem Augenblick alle Qual des Leidens abfiel.“ Adolf Reichwein wurde dann mit weiteren Sozialdemokraten wegen „Landesverrats“ zum Tode durch den Strang verurteilt und Stunden später im Hinrichtungsschuppen des Gefängnisses Berlin-Plötzensee erhängt.
IV. „Sippenhäftlinge“ nach dem 20. Juli 1944
Wenn das Attentat auf Hitler auch im Führerhauptquartier in Ostpreußen stattfand und die sich daran anschließende Operation „Walküre“ vor allem in Berlin – und damit fern von der Koblenzer Region - ablief bzw. ablaufen sollte, hatte dies doch unmittelbare Auswirkungen bis hierher. Grund hierfür war die von den Nazis an Angehörigen von Widerständlern des 20. Juli 1944 praktizierte „Sippenhaft“.
Diese traf u.a. Lina Lindemann und ihre Tochter Marie-Luise. Verheiratet war Frau Lindemann mit dem Artilleriegeneral Fritz Lindemann. Er war an der Verschwörung des 20. Juli beteiligt. Als die Gestapo dies erfuhr, fahndete man nach ihm und verhaftete ihn nach einer Denunziation am 3. September 1944. Dabei verletzte man ihn so schwer, dass er am 22. September 1944 in einem Krankenhaus starb.
Frau Lindemann befand sich im Juli 1944 auf Burg Namedy bei Andernach. Dort führte sie ihrer Schwester, der Prinzessin Ilse-Margot von Hohenzollern-Sigmaringen, die nach einem Unfall in der Klinik lag, den Haushalt. Am 28. Juli 1944 erschienen in Namedy zwei Gestapobeamte und brachten sie nach Koblenz in das „Karmelitergefängnis“. Es folgten lange Verhöre, die erst nach dem Tod ihres Mannes, von dem sie allerdings nichts erfuhr, aufhörten. Bei den schweren Luftangriffen auf Koblenz Anfang November 1944 wurde das Gefängnis durch Bomben zerstört. Frau Lindemann überlebte in einem Bunker außerhalb der Haftanstalt. In dem sich anschließenden Chaos hätte sie fliehen können, unterließ es aber aus Rücksicht auf ihre Tochter und die übrige Familie. Nach kürzeren Aufenthalten im Gefängnis in Vallendar und im Ausländergefängnis in Altenkirchen wurde sie schließlich im Januar 1945 in das Frauen-KZ Ravensbrück und noch im selben Monat in das KZ Stutthof bei Danzig verbracht. In Stutthof traf sie mit aus anderen Teilen Deutschlands herangeschafften „Sippenhäftlingen“ der Familien Stauffenberg, Goerdeler und anderen Beteiligten des 20. Juli zusammen. Vor den anrückenden russischen Truppen verschleppte man die „Sippenhäftlinge“ in mehrere Konzentrationslager im Westen. Anfang März 1945 kam sie dann im Viehwagen im KZ Buchenwald an.
Als die Front näher rückte, gingen diese Häftlinge „auf Transport“ nach Süden; weitere Stationen waren das KZ Dachau und das Lager in Innsbruck. Die letzte Station war Südtirol, das Pustertal, genau genommen das Hotel Prags am Wildsee im Pustertal. Am 3. Mai 1945 wurden dort 136 „Sippen- und Sonderhäftlinge“, darunter Frau Lindemann befreit. – Erst bei ihrer Rückkehr nach Burg Namedy erfuhr Frau Lindemann von dem Schicksal ihrer nächsten Angehörigen: vom Tod ihres Mannes bereits im September 1944 und davon, dass ihre Tochter Marie-Luise ebenfalls zum „Sippenhäftling“ der Nazis geworden war.
Auch an ihrem stationären Ort, im Medienladen im Kurt-Esser-Haus – fand die Dauerausstellung unseres Fördervereins immer wieder interessierte Besucher. Über den Besuch eines Leistungskurses Geschichte des Gymnasiums auf dem Asterstein berichtete die Rhein-Zeitung. Dabei erhielt die Schule vom stellvertretenden Vorsitzenden unseres Vereins Joachim Hennig eine von ihm geschriebene Biografie über den ersten Polizeipräsidenten von Koblenz, entschiedenen Gegner der Nationalsozialisten, einem der beiden Väter der Landesverfassung und ersten Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts und des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz Dt. Ernst Biesten.
Lesen Sie HIER den Bericht in der Rhein-Zeitung vom 16. Juni 2004.