Dr. Markus Müller: "Das schreckliche Schicksal der Wendels-Schwestern aus Hachenburg."
Es ist immer wieder erstaunlich und sehr interessant, was auch 90 Jahre nach dem Beginn der Nazi-Diktatur noch bekannt wird. Viele denken, es gäbe nichts mehr zu erforschen und mitzuteilen, andere reden immer wieder von einem „Schlussstrich“ unter das dunkelste Kapitel unserer Geschichte. Und dabei wissen wir doch erstaunlich wenig. Das gilt weniger für die große Verfolgungspolitik und den Holocaust im Allgemeinen als vielmehr hinsichtlich der Geschehnisse vor Ort.
Einer der sich dieser regionalen Geschichte annimmt, ist der Oberstudienrat Dr. Markus Müller, der am Mons-Tabor-Gymnasium in Montabaur in den Fächern Deutsch und Geschichte unterrichtet. Getreu dem Motto „Nicht irgendwo, sondern hier bei uns“ forscht er seit vielen Jahren zu Verfolgten und Opfern des Nationalsozialismus im Westerwald und klärt in vielfältiger Weise darüber auf. Vor allem die unbekannten, vergessenen Opfer beschäftigen ihn. Damit erinnert er nicht nur an deren Schicksale und zeigt die Verbrechen der Nazis und ihrer Helfer auf, sondern mahnt und warnt uns, dass nicht nur die „Hitlers“ und die Führungsclique diese Verbrechen begingen. Vielmehr wären diese nicht möglich gewesen, wenn es bis ins kleinste Dorf nicht die vielen, viel zu vielen Helfer, die Zu- und Wegschauer gegeben hätte. Sie brachten den Terror überallhin und auch auf den Westerwald.
Nach Zeugen Jehovas im Oberwesterwald hat Dr. Müller nun das Schicksal zweier ganz unpolitischen alten Schwestern aufgearbeitet und publiziert. Die beiden, Anna und Josefine Wendels, stammten ursprünglich aus Koblenz. Sie kamen 1876 bzw. 1883 in Koblenz bzw. Moselweiß in sehr kleinen Verhältnissen zur Welt. Wohl um die Jahrhundertwende zog die Familie Wendels nach Hachenburg. Auch dort lebten sie in Armut. Offenbar waren die Schwestern sehr katholisch. Diese Haltung veranlasste sie dann, immer wieder an Behörden Eingaben zu schreiben. Deren Inhalt ist nicht bekannt, er dürfte – so Müller – aber nicht politischer Natur gewesen sein. Die Schwestern waren den Nazis aber „lästig“. Um sie mundtot zu machen, „loszuwerden“, nahm sie die zuständige Gestapo in Frankfurt/Main in „Schutzhaft“ und verschleppte sie im Herbst 1942 in das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück bei Fürstenberg/Havel. Dort kamen die beiden nach einigen Monaten im Alter von 67 bzw. 60 Jahren zu Tode.
Lesen Sie HIER den im Jahrbuch des Westerwaldkreises „Wäller Heimat 2022“ erschienenen Aufsatz von Dr. Markus Müller „‘Wegen ungerechtfertigter Eingaben‘ im Konzentrationslager umgekommen! – Das schreckliche Schicksal der Wendels-Schwestern aus Hachenburg“, den uns der Autor dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat