Foto: Holger Weinandt (Koblenz, Germany) 12.07.2011  Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Es folgte das Lebensbild des Neuwieder Zeugen Jehovas Friedel Kreier.


Diener Jehovas bis in den Tod


Teil 4 der RZ-Serie von Joachim Hennig über Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz  vom  1. Dezember 2000:

Friedel Kreier

Die Opfer der Nazis in Koblenz stammten nicht nur aus der Stadt selbst, sondern auch aus der näheren Umgebung. Koblenz war schon damals ein Verwaltungs- und Gerichtszentrum, in dem und durch das Menschen aus der ganzen Region verfolgt wurden.

Einer von ihnen war der Zeuge Jehovas Friedel Kreier aus Neuwied. Nach der Aufführung des damals imposanten „Photodramas der Schöpfung“ schloss er sich der Glaubensgemeinschaft an, die früher Ernste Bibelforscher hieß. Als Milchhändler, der viel in den umliegenden Dörfern herum kam, erzählte er von dem Gesehenen und den Bibelforschern. Das war nicht leicht: Sie wurden wegen ihrer verbal scharfen Angriffe gegen Kirchen, Staat und auch Großkapital sowie ihrer endzeitlichen Vorstellungen, die  man als Aufruf zur Revolution missdeutete, polizeilich observiert. Man sah in ihnen - völlig zu Unrecht - „Wegbereiter des Bolschewismus“.

Kaum waren die Nazis an der Macht, wurde die Gemeinschaft verboten und jede Art der Werbung für sie unter Strafe gestellt. Eine neue Dimension erhielt die Verfolgung mit der Ernennung Himmlers zum Chef der deutschen Polizei und der Einrichtung eines „Sonderkommandos“. Daraufhin gelang der Gestapo Koblenz der entscheidende Schlag gegen die Bibelforscher-Gemeinde Neuwied und gegen Kreier persönlich.  

Am 31. August 1936 wurde er festgenommen,  im Karmelitergefängnis in Koblenz in Untersuchungshaft gehalten und  mit 20 anderen Bibelforschern angeklagt. Da es damals noch kein eigenes Sondergericht Koblenz gab, saß das im Koblenzer Justizgebäude tagende Sondergericht Köln über sie zu Gericht. Es verurteilte 19 von ihnen zu Gefängnisstrafen allein deshalb, weil sie Bibelforscher waren, deren Schriften besaßen und sich als solche versammelt hatten. Kreiers Strafe lautete auf neun Monate Gefängnis.

Nach Strafverbüßung kam er nicht frei, sondern aufgrund eines zwischenzeitlich ergangenen Gestapo-Erlasses unmittelbar in KZ-Haft. Schon dieser Erlass zeigt, mit welcher unerbittlichen Härte die vergleichsweise kleine und völlig unpolitische Glaubensgemeinschaft der Bibelforscher verfolgt wurde. Deutlich wird das auch am „lila Winkel“, den sie im KZ tragen mussten. Damit wurden sie als einzige religiöse Gruppe mit einem eigenen Kennzeichen stigmatisiert.

Kreier kam  ins KZ Sachsenhausen und wurde dann zwischen den KZs Sachsenhausen, Dachau, Buchenwald und wiederum Dachau hin und her gestoßen. In einem dieser KZs erlitt er eine schwere Verletzung an der Hüfte, die zeitlebens blieb. Trotzdem hielt er an seinem Glauben fest und machte gar etwas ganz Ungewöhnliches: Obwohl die Nazis den Bibelforschern - wie keiner anderen Verfolgtengruppe - die Freiheit versprachen, wenn sie ihrem Glauben abschwörten, tat er das nicht, sondern ließ sich im Gegenteil -  er war noch gar nicht offiziell getauft - im KZ in einer Regentonne als Bibelforscher taufen.

Nach der Befreiung fing Kreier wieder dort an, wo er zuvor hatte aufhören müssen. Er war Mitbegründer der Zeugen Jehovas in Neuwied, ihr Gruppen- und Versammlungsleiter und maßgeblich beim Aufbau der Versammlungen in Koblenz, Andernach und Bendorf beteiligt. Zeitzeugen berichten von seiner Glaubenstreue und seinem humorvollen Wesen, die auch der Naziterror nicht hat vernichten können. Als Zeuge Jehovas war Friedel Kreier bis zu seinem Tod im Jahre 1971 in Neuwied aktiv.