„Wir werden verbrannt“, wir müssen sterben!“
Die „Euthanasie“-Geschädigten gehören – jedenfalls in Koblenz und Umgebung - zu den (fast) vergessenen Opfern des Nationalsozialismus. Damit sich das ändert, gibt es jetzt eine Ausstellung im Herz-Jesu-Haus Kühr in Niederfell/Untermosel, die an die Anfang Mai 1943 in Tötungsanstalten verschleppten Bewohnerinnen von Kühr erinnert. Unter dem Motto „Gegen das Vergessen“ hält unser stellvertretender Vorsitzender Joachim Hennig einen Vortrag über das damalige Geschehen und die abtransportierten Frauen und Mädchen und gibt eine Einführung in die neue Ausstellung dort: „‘Wir werden verbrannt, wir müssen sterben!‘ – ‚Verlegungen‘ vom Herz-Jesu-Haus Kühr in Tötungsanstalten im Mai 1943“.
Hintergrund ist, dass im (weiteren) Rahmen der „Aktion Brandt“ auch von Kühr geistig behinderte Frauen und Mädchen im Mai 1943 in NS-Tötungsanstalten verschleppt wurden: am 6. Mai 60 Bewohnerinnen in das Gaukrankenhaus Klagenfurt/Kärnten, am 8. Mai 40 Patientinnen in die thüringische Landesheilanstalten Stadtroda und am 7. Mai 50 Kranke in die sächsische Landesheilanstalt Altscherbitz. Die meisten nach Altscherbitz Verlegten wurden später weiter verschleppt in die Heil- und Pflegeanstalten Warta (bei Posen/Poznan), Tiegenhof (bei Gnesen/Gniezno), (Meseritz-)Obrawalde und Pfafferode. Von den 150 Abtransportierten überlebten nachweislich nur 14.
80 Jahre später werden das Geschehen und die Schicksale dieser Menschen erstmalig gründlich aufgearbeitet und dargestellt. Das geschieht in der im Rahmen der Veranstaltung eröffneten Ausstellung „Wir werden verbrannt, wir müssen sterben!“. Mit 13 „Stationen“ - 11 Rollups, einem Koffer und einem Info-Turm - wird darin über die „Brandt-Aktion“, die beteiligten Tötungsanstalten und die Schicksale der Verschleppten informiert. Dabei stehen die Biografien zahlreich porträtierter Kranker im Vordergrund.
Die von unserem stellvertretenden Vorsitzenden erarbeitete Ausstellung und dessen einführender Vortrag dazu sind Teil einer umfangreichen Arbeit zur Geschichte der „Idioten-Pflegeanstalt Kühr“/„Pflegeanstalt Herz Jesu-Haus Kühr bei Niederfell“. Aus Anlass des 150-jährigen Bestehens des Herz-Jesu-Hauses im Jahr 2022 arbeitet Hennig die Geschichte des Hauses auf. Das geschieht zurzeit unter dem Arbeitstitel „‘Tue deinen Mund auf für die Stummen.‘ - 150 Jahre Herz-Jesu-Haus Kühr in Niederfell, die ersten 75 Jahre (1872-1947)“. Geplant ist, diese Geschichte im Laufe des Jahres 2023 zu veröffentlichen. Vorab und aus gegebenem Anlass wird mit der Ausstellung und dem Vortrag über einen wichtigen Teilaspekt dieser Geschichte berichtet.
Alle Interessierten sind vom Herz-Jesu-Haus Kühr zu der Veranstaltung mit der nachfolgenden Einladung herzlich eingeladen:
„Großer Gott, baro Dewel, Du hast den Schlüssel, der meinen Tod aufschließt.“
Im stillen Gedenken und mit lieben Erinnerungen nehmen wir Abschied von
Clemens Alzer
Arbeiterpriester und Seelsorger der Sinti.
Nach einem erfüllten Leben in steter Fürsorge für die Schwächsten und Ärmsten unserer Gesellschaft hat uns Clemens Alzer im Alter von 84 Jahren verlassen.
Wir vom Förderverein Mahnmal Koblenz lernten Clemens Alzer durch die Biografie unseres stellvertretenden Vorsitzenden Joachim Hennig über den Koblenzer Sinto Daweli Reinhardt kennen. Denn Clemens Alzer war für die Koblenzer Sinti jahrzehntelang ein Freund und der Raschai. In den 1970er Jahren war er zu den Sinti im Schönbornslusterweg in Koblenz-Lützel gezogen und hatte in einem Bauwagen das Leben mit ihnen geteilt.
Dann sorgte er dafür, dass die Koblenzer Sinti in menschenwürdige Unterkünfte im Stadtgebiet umziehen konnten. Jahrzehntelang sorgte er sich um sie und auch um die Bewohner von Mittelweiden, wohin Clemens Alzer alsbald umzog. Neben seiner Tätigkeit in der Weißblechfabrik Rasselstein als Arbeiter und Betriebsrat war Alzer an mehreren Orten als Priester tätig. Seit den 2000er Jahren begleitete Hennig den lieben Verstorbenen auf manchen Stationen seines sehr ungewöhnlichen, beeindruckenden Lebensweges.
Clemens Alzer ging seinen durch den christlichen Glauben und den „Mann aus Nazareth“ geprägten Weg unbeirrt. Sein Einsatz für die Schwachen war unermüdlich, wenn auch nicht immer erfolgreich. Achtung und Anerkennung wurden ihm aber stets zuteil. Ausdruck dessen war auch die Verleihung der Verdienstmedaille des Landes Rheinland-Pfalz im Jahr 2005.
Im Anschluss daran machte Hennig über und mit dem lieben Verstorbenen einen einstündigen Film mit dem Titel: „Mittendrin und doch am Rande der Gesellschaft: Der Arbeiterpriester Clemens Alzer“, 2007.
Auch brachte der SWR in seiner Reihe "Persönlich" ein Porträt über Clemens Alzer.
All die Jahre war Clemens Alzer auch Seelsorger, Raschai der Koblenzer Sinti – in freudigen und in traurigen Tagen. So taufte er den kleinen Sinti Jordan Moro Josef
und bettete Daweli Reinhardt im Jahr 2016 zur letzten Ruhe.
2018, zu seinem 80. Geburtstag, erschien in der Koblenzer Heimatzeitung „Der Schängel“ ein Glückwunsch für Clemens Alzer. HIER lesen
Jetzt, am 29. April 2023, ist Clemens Alzer heimgegangen. Zuletzt wohnte er bei seiner Familie in Niederfischfach im Oberwesterwald. Dort ist er auch beerdigt.