Heimatbesuch ehemaliger jüdischer Bürger in Koblenz vom 23. bis 30. August 2009
Es ist schon eine längere und gute Tradition, dass frühere Koblenzer jüdischen Glaubens ihre alte Heimat an Rhein und Mosel besuchen. In diesem Jahr war es das 25. Mal.
Begonnen hatten die Besuche im Sommer 1985. Sie waren hervorgegangen aus einer intensiven Spurensuche von Schülerinnen des Hilda-Gymnasiums in Koblenz und ihrer Lehrerin Hildburg-Helene Thill. Aus Anlass des 150-jährigen Bestehens des Hilda-Gymnasiums spürten Frau Thill und neun Schülerinnen über 50 ehemalige Koblenzer jüdischen Glaubens, vor allem ehemalige Hilda-Schülerinnen, auf. Ihnen allen war gemeinsam, dass sie in den 1930er Jahren aus ihrer Heimatstadt Koblenz vertrieben wurden, ein ganz neues Leben haben anfangen müssen und nun in vielen Ländern der Welt leben. Die Resonanz der Angeschriebenen war nach all den Jahren überwältigend: Frau Thill und ihre jugendlichen Helferinnen erhielten von mehr als der Hälfte Antwort. Viele berichteten von dem eigenen Schicksal und dem Schicksal ihrer Angehörigen in der NS-Zeit und auch in der Zeit danach. Ergänzt waren diese Berichte von zahlreichen Fotos und anderen Dokumenten aus früherer Zeit. Es entstand eine einzigartige Dokumentation von Lebensbildern ehemaliger Koblenzer jüdischen Glaubens.
Aus den Kontakten erwuchs die Idee, diese Menschen näher kennen zu lernen, sie nach Koblenz einzuladen und mitzuhelfen, ihre alte rheinische Heimat wieder zu sehen. Insgesamt zehn ehemalige Koblenzer jüdischen Glaubens ließen sich für diese Idee gewinnen. Die Christlich-Jüdische Gesellschaft für Brüderlichkeit Koblenz e.V. nahm sich der Sache an und organisierte diesen ersten Heimatbesuch, auch die Stadt Koblenz war mit im Boot. Es war für alle Teile ein Wagnis. Denn so fragte man sich in Koblenz wie würden diese Überlebenden des Holocaust, von denen sich viele Angehörige nicht mehr hatten retten können und in den Vernichtungslagern ermordet worden waren, nach langer Zeit diesem Land der Täter und seinen Menschen begegnen? So war Unsicherheit auf beiden Seiten. Denn dass es für die Gäste eine ungewisse und sehr erinnerungsreiche Fahrt in die alte Heimat werden wird, war allen Beteiligten bewusst.
Bestimmt hat es an der Sympathie aller füreinander, der guten Vorbereitung, dem guten Willen und auch der gesunden Neugier gelegen, dass dieser Heimatbesuch vor 25 Jahren ein voller Erfolg war. Neben den Festveranstaltungen der Hilda-Schule nahmen die Gäste an einer Schiffstour und einem Empfang durch den Oberbürgermeister der Stadt teil. Der Vorstand der Christlich-Jüdischen Gesellschaft für Brüderlichkeit war es eine große Aufgabe, den Gästen den Aufenthalt so angenehm und erlebnisreich wie möglich zu gestalten.
Nach diesem ersten Besuch stand fest, dass es weitere geben würde. Es entwickelte sich eine Tradition, die bis heute fortgesetzt wird. Die einwöchigen Besuche hatten ein ähnliches, inzwischen bewährtes Programm: Stets neu und interessant war die Zusammensetzung der Gäste. Manche waren treue Besucher. Es kamen aber auch immer wieder neue dazu. Der Kreis erweiterte sich auch um ehemalige Bürger aus Vallendar und Mülheim-Kärlich. Fast jedes Jahr gab es ein herausragendes Ereignis. Beim zweiten Heimatbesuch war es die Eröffnung der kleinen Ausstellung im Gedenkzimmer der heutigen Jugendbibliothek im Bürresheimer Hof. Höhepunkt des dritten Heimatbesuchs war die Publikation von Hildburg-Helene Thills Lebensbilder jüdischer Koblenzer und ihre Schicksale, die aufgrund jahrelanger sehr gründlicher Recherche und Kontakte entstanden war. Zum vierten Heimatbesuch erschien Elmar Ries Buch: Wozu Menschen fähig sind die Reichspogromnacht 1938 in Koblenz. Aus der Reihe interessanter Besuche ragt der Heimatbesuch des Jahres 2001 heraus, in dessen Rahmen das Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz auf dem Reichensperger Platz eingeweiht wurde.
Am 23.09. fand abends der Begrüßungsempfang im Hotel Berghof in Koblenz-Asterstein statt. | |
von links: Frau Ruth Homrighausen, geb. Appel, mit ihrem Bruder Werner Appel und dessen Frau Christel |
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Eheleute Hilda und Harry Spanier mit Tochter Marilyn | |
Frau Lea Sassoon mit Tochter und Enkelsohn | |
Frau Dr. Marianne Pincus geb. Brasch (rechts) im Hintergrund ihre Tochter und ihr Schwiegersohn | |
Eheleute Hans und Egon Reich aus Schottland wurden erst noch vom Ersten Vorsitzenden der Christlich-Jüdischen Gesellschaft Pfr. i.R. Schlenzig mit Frau Ursula vom Flughafen abgeholt. Von Seiten der Christlich-Jüdischen Gesellschaft waren noch anwesend der Geschäftsführer Hans-Peter Kreuz, Frau Markowski, Frau Löwer, Pfarrer i.R. Hans-Werner Schlenzig mit Frau Ursula und Gertrud und Bodo Zielinski. Der Freundschaftskreis Koblenz - Petah Tikva war vertreten durch seine Vorsitzende Doris Leber. Am nächsten Tag fand um 17 Uhr eine Gedenkveranstaltung auf dem jüdischen Friedhof statt mit anschließender Begegnung im Gemeindesaal |
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links vorn: Eheleute Reich aus Schottland, rechts vorn: Werner Appel und Frau Tami Blaettner aus Israel | |
Von rechts: Oberbürgermeister Dr. Eberhard Schulte-Wissermann und die Herren Preußer und Hehl vom Kulturamt | |
Der Donnerstag stand dann zur freien Verfügung und wurde zu Besuchen bei Freunden genutzt.
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Prämierte Nachwuchsforscherin Ann-Jacqueline Frieser
Bundespräsident Horst Köhler zeichnet die Wittlicher Abiturientin aus
Für ihre Arbeit: Ganz normale Helden: Richard Rudolf und die Doppelverfolgung der Zeugen Jehovas beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten hat die Wittlicher Abiturientin Ann-Jacqueline Frieser den 3. Bundespreis erhalten. Die Nachforscherin, selbst Zeugin Jehovas, recherchierte das Leben des Zeugen Jehovas Richard Rudolf.
Das ist ein großer Erfolg für ein noch junges Mädchen. Für ihren Beitrag wurde die 17-jährige Schülerin Ann-Jacqueline Frieser beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten und der Körber-Stiftung Hamburg zum Thema Helden: verehrt verkannt vergessen mit dem dritten Preis ausgezeichnet. Sie gehört damit zu den 50 Bundessiegern im Wettbewerb.
Bundespräsident Horst Köhler zeichnete die fünf ersten Preisträger am Freitag, dem 6. November, im Schloss Bellevue in Berlin aus. Wenn Ann-Jacqueline Frieser als dritte Preisträgerin dort auch nicht persönlich anwesend war, so war der Wettbewerb für die junge Nachwuchsforscherin doch ein Riesenerfolg. Mit ihr freuen sich viele Menschen zwischen Wittlich und Husum: Ann-Jacquelines Eltern, das von ihr besuchte Cusanus-Gymnasium in Wittlich, der Förderverein Mahnmal Koblenz, dessen stellvertretender Vorsitzender Joachim Hennig die Idee für die Arbeit gab, Dr. Hans-Hermann Dirksen, der den Kontakt zu dem Zeitzeugen vermittelte, Thomas Malessa, mit dessen Hilfe sie die Recherchen und Gespräche vor Ort durchführen konnte und besonders der in der Nähe von Husum/Holstein lebende 97-jährige Zeitzeuge Richard Rudolf.
Interessierte aus Koblenz und Umgebung können sich schon jetzt auf die junge Bundessiegerin freuen: Im Rahmen der in der Zeit vom 13. Januar bis 7. Februar 2010 im Rathaus in Koblenz gezeigten Ausstellung Standhaft trotz Verfolgung Jehovas Zeugen unter dem NS-Regime wird Ann-Jacqueline Frieser über ihre Recherchen und ihre Arbeit berichten und daraus vorlesen; zugleich wird Dr. Hans-Hermann Dirksen über die Doppelverfolgung der Zeugen Jehovas in der NS-Zeit und der DDR referieren. Der Termin für diese Veranstaltung steht schon fest: Montag, der 1. Februar 2010.
Näheres über Ann-Jacqueline Frieser und ihre vollständige Wettbewerbsarbeit finden Sie HIER