Gedenktafel zur Erinnerung an die Deportationen von Juden aus Koblenz am Bahnhof Lützel.
Im Rahmen der Woche der Brüderlichkeit brachte die Christlich-Jüdische Gesellschaft für Brüderlichkeit am Bahnhof Koblenz-Lützel, der früher ausschließlich ein Güterbahnhof war, eine Gedenktafel zur Erinnerung an die jüdischen Menschen aus Koblenz und Umgebung, die vom Güterbahnhof Koblenz-Lützel aus ab dem 22. März 1942 „nach dem Osten“ – und damit in den sicheren Tod – deportiert wurden. Der Text auf der schlichten Tafel lautet: „Von diesem Bahnhof, ehemals einem reinen Güterbahnhof, wurden in den Jahren 1942 und 1943 insgesamt 870 jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger verschleppt. Nur wenige überlebten das Grauen der Konzentrations- und Vernichtungslager“. Damit ergänzt diese Tafel das vor einiger Zeit an Hauptbahnhof Koblenz installierte Laufband in Leuchtschrift, das an die Verschleppung der NS-Opfer aus Koblenz und Umgebung vom Hauptbahnhof aus erinnert.
Lesen Sie HIER den Artikel in „Blick aktuell“ – Ausgabe Koblenz – Nr. 11/2014.
Nationalsozialistische Täter in & aus Trier
Am 20. März 2014 referierte unser stellvertretender Vorsitzender Joachim Hennig bei der Volkshochschule in Trier im Rahmen der Reihe „Nationalsozialistische Täter in & aus Trier über Harald Turner, den NS-Regierungspräsidenten von Koblenz und "Schlächter von Serbien".
Lesen Sie HIER den Vortrag unseres stellvertretenden Vorsitzenden Joachim Hennig über Harald Turner:
Dr. rer. pol. Harald Turner (1891 – 1947) – Oberregierungsrat in Trier und „Schlächter von Serbien“
Vortrag von Joachim Hennig gehalten am 20. März 2014 bei der VHS Trier
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
haben Sie vielen Dank für die einführenden Worte und Ihnen allen für den aufmunternden Beifall. Ich freue mich sehr, wieder einmal bei Ihnen in der VHS Trier zu einem Vortrag zu sein – diesmal zusammen mit Thomas Zuche, einem engagierten Gedenkarbeiter von hier.
Thomas Zuche und ich werden in der Tat ganz unterschiedliche NS-Größen aus dieser Region vorstellen. Harald Turner – das „Dr.“ beim Namen lässt es schon erkennen – war ein intellektueller NS-Täter.
Geboren wurde Harald Turner am 8. Oktober 1891 in dem Städtchen Leun an der Lahn, zwischen Wetzlar und Limburg. Es gehörte damals zum Kreis Wetzlar und dieser zum Regierungsbezirk Koblenz. Sein Vater war Oberleutnant, seine Mutter Tochter eines evangelischen Pfarrers. Diese Mischung ist schon ein bisschen ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher wird es, wenn man den Namen des Vaters hört: William West Turner. Unweigerlich kommt man da ins Englische – Turner – und das ist richtig so. Denn Harald Turners Vorfahren väterlicherseits waren Engländer. Das Faible fürs Militärische lässt sich bis zu Harald Turners Urgroßvater zurückverfolgen. Dieser William Turner war Offizier der englischen Armee und kämpfte als Major der englischen Dragoner in der Schlacht bei Waterloo gegen Napoleon.
Irgendwie hatte es den Vater Turners nach Deutschland verschlagen. 1885 heiratete er die Tochter des Leuner Pfarrers. 1891 kam der Sohn Harald zur Welt. Typisch für den familiären Hintergrund waren seine Taufpaten. Von den drei männlichen Taufpaten war einer Theologiestudent und zwei waren Offizier bzw. angehender Offizier.
Schon sehr früh wurden für ihn die Weichen für eine militärische Laufbahn gestellt. Zu Ostern 1901, mit neun Jahren, kam er in die Kadettenanstalt Oranienstein bei Diez an der Lahn. Ostern 1906 schloss sich der Besuch der Hauptkadettenanstalt Groß-Lichterfelde bei Berlin bis einschließlich zur Obersekunda an. Im März 1908 wurde er Fähnrich und im August desselben Jahres Leutnant. Im Herbst kam er auf die Kriegsschule Potsdam.
Bei Ausbruch des I. Weltkrieges war Turner sogleich Soldat. Erst kämpfte er an der Westfront und wurde schon Ende September 1914 in Frankreich verwundet. Nach seiner Genesung war dann an der Ostfront und wurde erneut schwer verwundet. Noch in der Genesungsphase beförderte man ihn zum Oberleutnant. Dann kam er wieder an die Front.
Gleichsam zwischen den Fronten und in einer Kampfpause heiratete Turner am 23. Februar 1916 seine drei Jahre jüngere Frau, die Tochter eines Bad Kreuznacher Seifenfabrikanten. Unter den Vorfahren der Ehefrau finden sich allerlei Handwerker, aber auch evangelische Pfarrer. Kirchlich getraut wurden die beiden von Turners Großvater mütterlicherseits. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, die im Jahre 1917 geborene Tochter Irmingard und der 1918 geborene Sohn Harald.
Schon bald nach der Eheschließung, im Mai 1916, erlitt Turner einen Blutsturz und musste ins Lazarett. Damit war sein Fronteinsatz im I. Weltkrieg beendet. Nach seiner Genesung wurde er nur noch im rückwärtigen Bereich eingesetzt. Die Armee dankte Turner seinen Militärdienst mit der Beförderung zum Hauptmann sowie mit der Verleihung von Orden und Ehrenzeichen. Er war Träger des Eisernen Kreuzes I. und II. Klasse, des Ehrenkreuzes für Frontkämpfer, des Hilfsdienstkreuzes und des Verwundetenabzeichens in Silber.
Nach der Kapitulation des Deutschen Reiches im November 1918 blieb Turner beim Militär. Er gehörte jenen irregulären Verbänden ab, in denen militärisch ausgebildete Frontsoldaten weiterhin Krieg spielten. Das waren eine Art Landsknechte, zu denen sich bald auch konservative bis rechtsradikal gesinnte junge Leute gesellten. Man nannte sie Freikorps. Turner gehörte zum Freikorps Wesel.
Der am 10. Januar 1920 in Kraft getretene Vertrag von Versailles brachte dann das soldatische Ende für Turner. Der Friedensvertrag begrenzte die Streitkräfte auf das „Hunderttausend-Mann-Heer“. Damit musste die auf 400.000 Mann angewachsene Reichswehr auf ein Viertel verringert werden, von der Reduzierung waren vor allem die Freikorps betroffen, die weitgehend aufgelöst wurden. Damit hatte auch er ausgekämpft.
Turner wurde daraufhin Verwaltungsbeamter. Zunächst war er Regierungsamtmann im Versorgungsamt in Wesel. Im Jahre 1922 kam er zum Versorgungsamt nach Mainz, 1923 nach Bad Kreuznach und 1924 nach Trier.
Turner war von Anfang an sehr ehrgeizig und bildungsbeflissen. So ließ er sich während dieser Berufstätigkeit im Wege des Fernstudiums zum Referendar weiterbilden. Aufgrund von damals geltenden Sonderregelungen – Turner ja hatte kein Abitur - gelang ihm im Jahr 1926 der Sprung vom gehobenen in den höheren Dienst. Er wurde im Februar 1926 zum Regierungsrat ernannt und weiter beim Reichsversorgungsamt in Trier eingesetzt. Obwohl er damit im höheren Dienst war, strebte er noch das Abitur an. Nach einer recht kurzen Vorbereitungszeit legte er die Reifeprüfung im Februar 1927 als Externer am Hindenburg-Realgymnasium in Trier ab. Sogleich schrieb er sich für das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität in Gießen ein und studierte neben seinem Dienst sechs Semester.
Noch während er studierte wurde er im April 1929 – unter Beibehaltung seiner Hauptstelle beim Versorgungsamt in Trier - zum Deutschen Finanzkommissar für das Versorgungswesen im Saargebiet ernannt. – Damals hatte das Saargebiet noch einen Sonderstatus – aufgrund des Versailler Vertrages war es damals den Franzosen zur Nutzung überantwortet und wurde von einer Kommission des Völkerbundes verwaltet.
Während Turner beruflich im Saargebiet als deutscher Finanzkommissar für das Versorgungswesen tätig war, engagierte er sich in Trier kommunalpolitisch. Bei den Stadtverordnetenwahlen im November 1929 wurde er in den Trierer Stadtrat gewählt. In dieser Zeit nahm er Kontakt zur NSDAP auf, Gauleiter Simon und Bezirksleiter Struve rieten ihm aber von einem offiziellen Beitritt ab. Später erklärte Struve dazu:
Pg. Turner hat sich in Trier seit Anfang 1930 stets rege für die Geschehnisse in der Partei interessiert und mit seiner Frau an keiner Parteiveranstaltung gefehlt, soweit es seine Zeit erlaubte. Auf seinen Wunsch, Parteimitglied zu werden, riet ich mit der Begründung ab, dass es für ihn als beamten des Versorgungsamtes und Kommissar des Saargebietes ein zu großes Risiko sei und genügte es, dass seine Frau altes Parteimitglied sei. Von Parteigenossen aus Trier wusste ich bereits damals, dass Pg. Turner vor meiner Zeit in Trier (Anfang 1930) Nationalsozialist war.
Im April/Mai 1932 wurde Turner Mitglied der NSDAP und der SS. Seine ersten SS-Erfahrungen sammelte er als Truppführer in Trier beim SS-Sturm 2/II/5 Noch Ende des Jahres 1932 wurde er mit der Führung des SS-Sturms 2/II/5 und Anfang 1933 mit der Führung des SS-Sturmbanns II/5 beauftragt. Am 12. Februar 1933 beförderte man ihn zum Oberregierungsrat beim Reichsversorgungsamt in Trier. Dies war zwei Wochen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, war aber wohl nicht in erster Linie politisch bedingt. Schließlich war Turner damals schon 41 Jahre alt, hatte sich durch Weiterbildung hochgearbeitet und die Stelle eines Oberregierungsrats beim Versorgungsamt war ja auch keine so hervorgehobene Position.
Anders ist eine Turner betreffende Personalmaßnahme zu bewerten, die nur wenige Wochen später erfolgte. Im Mai 1933 kam es zu einer weiteren Ernennung, diesmal zum Regierungspräsidenten von Koblenz. Diese muss man sehr wohl vor dem Hintergrund der „Machtergreifung“ der Nazis und den letzten halbwegs legalen Wahlen zum Reichstag am 5. März 1933 sehen. Die Ernennung Turners zum Regierungspräsidenten kam für ihn nicht überraschend, er hatte darauf hingearbeitet. Bereits 1931 oder 1932 äußerte er sich gegenüber einem Freund, dem Amtsrichter Dr. Oskar Elste, nachdem dieser festgestellt hatte, dass der Gauleiter Robert Ley Parteigelder unterschlagen hatte, dies publik gemacht hatte und aus der NSDAP ausgetreten war, wie folgt:
Oskar, Du bist kein Idiot, sondern ein Vollidiot. Wenn wir an die Macht kommen, wärest Du Chef beim Oberlandesgericht Köln geworden. Meine Karriere fängt als Regierungspräsident in Trier oder in Koblenz an.
So war es denn auch. Während Elste nach 1933 Amtsrichter in Boppard/Rhein wurde, wurde Turner wie gesagt Regierungspräsident in Koblenz. Die Ernennung und Amtseinführung Turners fand ein breites Echo. Das Koblenzer Nationalblatt schloss die Vorstellung Turners in seiner Ausgabe vom 13. Mai 1933 mit den Worten: „Mit dem neuen Regierungspräsidenten zieht in Koblenz ein alter, treuer Kämpfer der Bewegung ein, der seiner neuen Aufgabe vollauf gerecht werden wird.“
Am 16. Mai 1933 fand in der Festhalle in Koblenz die feierliche Einführung statt. In seiner Antrittsrede sagte Turner u.a.:
Ich bin mir der Schwere meiner Aufgabe bewusst. Aber ich bin ein Kind meines Bezirkes, kenne die Nöte und die Verhältnisse meiner Heimat. Siebzehn Jahre war ich im Rheinland tätig, elf Jahre in dem von den Franzosen besetzten Gebiet. Meine Aufgabe fasse ich so auf, dass ich in erster Linie Exponent der Regierung Adolf Hitlers bin, in zweiter Linie erst Beamter. Mein Ziel wird es sein, aus meinem Bezirk eine Hochburg des nationalen Sozialismus zu schaffen, denn der Nationalismus allein tut es nicht. Es muss der Sozialismus hinzukommen, für den wir 14 Jahre gekämpft haben. Dieser Nationalsozialismus soll unser Leitstern sein, wenn es gilt die Nöte der vergangenen Jahre in jeder Weise zu lindern. Mein ganzes Herz will ich für dieses Hochziel einsetzen, ein treuer Soldat Adolf Hitlers zu sein.
Turner machte auch in der SS schnell Karriere. Zur gleichen Zeit wurde er zur Führung des SS-Sturmbanns I/5 nach Koblenz versetzt. Drei Monate später wurde er zum Sturmbannführer (= Major), an „Hitlers Geburtstag“ am 20. April 1934 zum Obersturmbannführer (= Oberstleutnant), schon einen Monat später (am 20. Mai 1934) zum Standartenführer (= Oberst) befördert. Diese SS-Karriere dürfte auch Turners Eitelkeit befriedigt haben. Eine solche Annahme liegt nahe, wenn man sich die – wenigen – Fotos ansieht, die es von Turner gibt. Sie alle zeigen ihn in SS-Uniform, die er ersichtlich voller Stolz trägt.
Insoweit hatte er auch allen Grund, stolz zu sein. Denn innerhalb eines Jahres hatte er unter Berücksichtigung seiner Karriere als Verwaltungsbeamter auch als SS-Führer reüssiert, er hat – wie man so sagte – „nachgezogen“ und war vom „kleinen“ Truppführer zum Standartenführer (= Oberst) aufgestiegen. Außerdem hatte man ihn mit den Insignien der SS ausgestattet: mit dem SS-Totenkopfring, mit dem Ehrendegen des Reichsführers SS und mit dem Julleuchter. Den Julleuchter verlieh ihm Himmler persönlich zu Weihnachten 1935 bzw. wie die Nazis das Weihnachtsfest umfunktionierten und umbenannten zum „Julfest“ 1935.
Aus der Koblenzer Zeit Turners ist sehr wenig bekannt. Ich selbst weiß nur von seinen Kontakten zum „Nerother Wandelvogel“ und zu den Zwillingsbrüdern Karl und Robert Oelbermann. Turner war Mitglied des Verwaltungsrates des „Nerother Wandervogels“, der damals schon seinen Sitz auf der Burg Waldeck bei Dorweiler im Hunsrück hatte. Auch Turners Sohn Harald war bei den „Nerothern“. Er muss ein schwer zu bändigendes Temperament gehabt haben, lediglich vor Karl Oelbermann hatte er Respekt. Obwohl Turner ein Freund der „Nerother“ war, konnte auch er den Druck von Hitler-Jugend und Partei auf die „Nerother“ nicht verhindern. Der Druck diente übrigens dazu, dass sich die „Nerother“ selbst auflösen sollten. Sie waren für die HJ eine Konkurrenz-Organisation, die die Nazis wegen ihres Totalitätsanspruchs nicht neben sich dulden wollten. Turner gab dann den Oelbermännern“ auch den Rat, sich selbst aufzulösen, ehe sie zwangsweise aufgelöst wurden. So geschah es auch, allerdings schlossen sich die „Nerother“ in einem Geheimbund, der „Gefolgschaft Oelb“ zusammen.
Turner blieb den Brüdern Karl und Robert Oelbermann weiter verbunden. Noch im Januar 1936 schrieb er ihnen:
Euch beiden habe ich umso lieber geholfen, weil ich überzeugt davon bin, dass ihr – wie man so sagt – anständige Kerle seid, die sich nur von idealen Beweggründen leiten ließen und auch in Zukunft leiten lassen werden. Ihr könnt versichert sein, dass nach wie vor ich mich mit meiner ganzen Person schützend vor Euch stelle, weil ich ein Gegner jeder nicht offenen und nicht geraden Handlung bin.
All dies half aber nichts. Am 8. Februar 1936 wurde der „Nerother Wandervogel“ offiziell verboten.
In dieser Zeit wurden für Turners weitere Karriere wichtige Weichen gestellt. Hierzu gehörten seine „rassemäßige“ Durchleuchtung und die seiner Ehefrau. Im Sommer 1935 musste Turner für sich und seine Frau einen SS-Erbgesundheitsbogen und eine SS-Ahnentafel vorlegen. Sie können sich vorstellen, dass dies für Turner mit seinen englischen Vorfahren nur schwer möglich war. Auch seine Ehefrau hatte große Mühe, ihre Ahnen bis ins 18. Jahrhundert zurückzuverfolgen. Mit einer gewissen Verspätung legte Turner den Ahnennachweis mit 43 amtlich beglaubigten Abschriften sowie einem Teil des Briefwechsels bei, den er zur Beschaffung der Urkunden geführt hatte. Dem Ahnennachweis seiner Ehefrau lagen gar 116 amtlich beglaubigte Abschriften bei.
Die anschließende „rassemäßige“ Überprüfung verlief für Turner günstig, denn sonst hätte er vom Reichsführer-SS zum „Julfest“ 1935 nicht den Julleuchter erhalten. Mit diesem „Julfest“ endete für Turner dann seine Koblenzer Zeit. Schon drei Wochen später machte er einen weiteren Karrieresprung. Am 17. Januar 1936 wurde er zum Ministerialdirektor im Preußischen Finanzministerium in Berlin ernannt. Am Tag der „Machtergreifung“, am 30. Januar des Jahres 1936, wurde er auch noch zum Oberführer der SS (= das ist so ein Dienstgrad zwischen Oberst und Generalmajor) befördert. Mit dieser Perspektive verließen Turner und seine Familie Koblenz.
In seinem weiteren beruflichen Werdegang spiegelte sich regelrecht der verbrecherische Expansionsdrang Hitler-Deutschlands wider. Turners erstes Einsatzgebiet wurde Tschechien. Bekanntlich einigten sich Chamberlain, Daladier, Mussolini im Münchner Abkommen Ende September 1938 auf die Angliederung der sudetendeutschen Gebiete an Deutschland. Dies war dann der Anfang der von Hitler längst ins Auge gefassten „Zerschlagung der Rest-Tschechei“ und der Errichtung des „Reichsprotektorats Böhmen und Mähren“. Hierbei wurde Turner kommissarischer Regierungspräsident des Regierungsbezirks Eger. Zugleich stieg er zum SS-Brigadeführer auf.
Als Hitler-Deutschland am 1. September 1939 Polen überfiel und damit den Zweiten Weltkrieg vom Zaum brach, war Turner ebenfalls dabei. Diesmal als Soldat, und zwar als Major und Bataillonskommandeur einer Personalnachschubeinheit. Nach dem Blitzkrieg und Blitzsieg gegen Polen wechselte er als Beamter in die Verwaltung des Generalgouvernements.
Dort blieb Turner aber nicht lange. Nachdem Hitler-Deutschland am 10. Mai 1940 mit dem sog. Westfeldzug Holland, Belgien und Luxemburg überfallen und dann Frankreich besiegt hatte, wurde Turner Chef des Militärverwaltungsbezirks Paris.
Anfang 1941 wurde er von seinem Posten als Chef des Militärverwaltungsbezirks Paris abberufen. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Neue Aufgaben gab es für Turner dann mit dem Überfall auf Jugoslawien und Griechenland im April 1941. Nach der Zerschlagung Jugoslawiens schaffte Hitler-Deutschland mit seinen Verbündeten die „Neuordnung des Balkanraums“. Es entstand ein Konglomerat von Besatzungszonen, Vasallenstaaten und territorialen Abtretungen. Das Deutsche Reich stellte Serbien nebst dem Banat unter deutsche Militärverwaltung.
Die Militärverwaltung bestand aus einem militärischen Operationsstab und einem zivilen Verwaltungsstab. Turner wurde der Chef der Zivilverwaltung und zugleich SS-Gruppenführer. Ihm unterstanden auch die Abteilung für „jüdische Angelegenheiten“ und auch die Einsatzgruppe Serbien. Die erste Phase der deutschen Besetzung Serbiens war gekennzeichnet von einer Diskriminierung der Juden und Zigeuner. Dies geschah durch die Übernahme von reichsdeutschen Regelungen und ihre Übertragung auf serbische Verhältnisse.
Die Situation änderte sich mit dem Überfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion (sog. Fall Barbarossa) am 22. Juni 1941. Noch am selben Tag, also am 22. Juni 1941, befahl Turner die Verhaftung sämtlicher führender Kommunisten und ehemaliger Spanienkämpfer. Zugleich musste die jüdische Gemeinde Bel-grads täglich 40 Männer bereitstellen, die bei etwaigen Anschlägen von Partisanen als Geiseln erschossen werden sollten.
Der Terror der Deutschen erhielt eine neue Qualität, nachdem die Deutsche Wehrmacht unmittelbar mit der „Partisanenbekämpfung“ beauftragt wurde. Der neue Befehlshaber von Serbien, General Böhme, erhielt von Hitler alle Vollmachten, um „auf weite Sicht im Gesamtraum mit den schärfsten Mitteln die Ordnung wiederherzustellen“. Eine dieser Maßnahmen war der erste „Judenmordbefehl“ von General Böhme: Zur „Sühne“ befahl er, für 21 gefallene deutsche Soldaten 2.100 „Geiseln“ zu erschießen. Turner wies er an, „2.100 Häftlinge, die inzwischen in zwei Konzentrationslagern zusammengepfercht waren, zu überstellen, die auch erschossen wurden.
Eine Woche später erließ General Böhme einen Tagesbefehl, der die systematische Liquidierung der erwachsenen männlichen Juden und der nicht sesshaften Zigeuner durch die Wehrmacht einleitete. Böhme ordnete an, „verdächtige männliche Einwohner und sämtliche Juden festzunehmen und sie im Verhältnis 1:100 für jeden getöteten und von 1:50 für jeden verwundeten Wehrmachtssoldaten zu erschießen“.
Turner war selbst an diesen Morden beteiligt, indem er die Opfer aussuchte. Seine Arbeit machte er so gut, dass er im September 1941 zum SS-Gruppenführer befördert wurde. In einem Brief von Oktober 1941sprach er davon, fünf Wochen zuvor die ersten 600 Männer „an die Wand gestellt“ zu haben, dann 2.000, kürzlich noch einmal 1.000. Weiter führte er aus:
Und zwischendurch habe ich dann in den letzten acht Tagen 2000 Juden und 200 Zigeuner erschießen lassen nach der Quote 1:100 für bestialisch hingemordete deutsche Soldaten und weitere 2.200, eben-falls fast nur Juden, werden in den nächsten Tagen erschossen. Eine schöne Arbeit ist das nicht! Aber immerhin muss es sein, um einmal den Leuten klar zu machen, was es heißt, einen Soldaten überhaupt nur anzugreifen, und zum anderen löst sich die Judenfrage auf diese Weise am schnellsten. (…) Es ist ja eigentlich falsch, wenn man es genau nimmt, dass für ermordete Deutsche, bei denen ja das Verhältnis 1:100 zu Lasten der Serben gehen müsste, nun 100 Juden erschossen werden, aber die haben wir nun mal im Lager gehabt, - schließlich sind es ja auch serbische Staatsangehörige und sie müssen ja auch verschwinden. Jedenfalls habe ich mir keine Vorwürfe zu machen, dass es von meiner Seite aus an der nötigen Rücksichtslosigkeit des Durchgreifens zum Schutze des deutschen Ansehens, aber auch der Angehörigen der deutschen Wehrmacht, gefehlt hat.
Unter dem 11. April 1942 brüstete sich Turner:
Schon vor Monaten habe ich alles an Juden im hiesigen Lande Greifbare erschießen lassen und sämtliche Judenfrauen und –kinder in einem Lager konzentrieren lassen und sogleich mit Hilfe des SD einen „Entlausungswagen“ (Gaswagen) angeschafft.
Als Ende August 1942 der Oberbefehlshaber wechselte, meldete Turner dem neuen Oberbefehlshaber Südost:
Serbien einziges Land, in dem Judenfrage und Zigeunerfrage gelöst.
Turners Position in Serbien war schon länger nicht mehr unangefochten. Im Spätsommer 1942 geriet er endgültig ins Abseits und wurde zum Jahresende 1942 als Militärverwaltungschef von Serbien abgelöst.
Das war ein schwerer Schlag für diesen extrem ehrgeizigen und Macht besessenen Menschen. Turner kehrte nach Berlin und in das Preußische Finanzministerium zurück. Er gab aber nicht auf. Da er offensichtlich im Ministerium nicht ausgelastet war, promovierte er in der Zeit von 1943 bis 1944 an der Humboldt-Universität in Berlin zum Doktor der Volkswirtschaft.
Ende 1943 wurde Turner vertretungsweise mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Chefs des SS-Rasse- und Siedlungshauptamtes beauftragt. Den Höhepunkt seiner Karriere brachte ihm die im Februar 1944 erteilte Berechtigung zum Tragen der Uniform und der Rangabzeichen eines Generalleutnants der Waffen-SS.
Ein Kameradschaftsabend in der SS-Junkerschule Tölz im Juli 1944 war dann das Karriere-Aus für Turner. Bei einem feucht-fröhlichen Abend und – wie es hieß – „in stark gelockerter Verfassung“ hatte Turner Bormann, den Leiter der Partei-Kanzlei, angegriffen und ihn für manche falsche Entscheidung Hitlers verantwortlich gemacht. Außerdem behauptete er, zwischen Bormann und Himmler gäbe es Rivalitäten. Abschließend meinte er noch, Bormann sei aus seiner Position als Leiter der Partei-Kanzlei zu entfernen, da er viele Feinde habe und sehr gefährlich sei.
Das war zu viel. Die SS leitete ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein. Als Maßnahme sah Himmler als Reichsführer-SS eine – wie es damals hieß – „Bewährung an der Front“ vor. Turner, der früher so gern Soldat war, gelang es, sich „krankschreiben“ zu lassen und dadurch einen Einsatz in den letzten Kriegstagen noch hinaus zu schieben und dann ganz zu verhindern.
Nach Kriegsende kam Turner in englische Kriegsgefangenschaft und wurde an Jugoslawien ausgeliefert. Dort machte man ihm zusammen mit anderen Verantwortlichen für die Massenmorde in Serbien den Prozess und verurteilte ihn als Kriegsverbrecher zum Tode. Im März oder April 1947 wurde das Urteil vollstreckt und Turner in Belgrad hingerichtet.
Turners Witwe erhielt alsdann eine monatliche Witwenpension nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes in Höhe von über 600.- DM. Für die Berechnung wurde Turners letzte Dienststellung Anfang 1933 als Oberregierungsrat zugrunde gelegt. Damit hatte seine Tätigkeit als Oberregierungsrat beim Versorgungsamt Trier noch über seinen Tod hinaus Bedeutung.
Ich danke Ihnen für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit.